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02. Mai 2024

Zwangshaft wegen verweigerter DSGVO-Auskunft

Wer dem Recht auf Auskunft nicht nachkommt, muss im Extremfall mit Haft rechnen
Bild: iStock.com / MattoMatteo
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Kann so etwas wirklich passieren?
Ein Amtsgericht verurteilt eine GmbH zur Auskunft über Daten einer betroffenen Person. Die GmbH tut schlicht nichts. Auf Antrag der betroffenen Person verhängt das Amtsgericht gegen den Geschäftsführer der GmbH schließlich 300 € Zwangsgeld, ersatzweise drei Tage Zwangshaft. Ist das eine Fake-Story oder rechtliche Realität?

Im Beispielfall erhob jemand gegen eine GmbH auf der Basis von Art. 15 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) Klage auf Auskunft über seine personenbezogenen Daten. Dazu reichte er diese Klage beim zuständigen Amtsgericht ein. Damit ist er im gerichtlichen Verfahren der Kläger. Das Gericht veranlasste die förmliche Zustellung der Klage an die GmbH. Damit ist die GmbH im gerichtlichen Verfahren die Beklagte. Kläger und Beklagte bilden zusammen die „Prozessparteien“.

➧ Auf eine Klage sollte man reagieren

In der Praxis kommt es immer wieder vor, dass ein Beklagter auf eine Klage schlicht nicht reagiert. So war es auch hier. Warum auch immer schien der GmbH die Klage gleichgültig zu sein.

Manche glauben, dass man eine Klage auf diese Weise einfach „aussitzen“ kann. Das kann tatsächlich funktionieren – allerdings nur, wenn es der Kläger mit sich machen lässt. Im Normalfall beantragt der Kläger jedoch irgendwann ein „Versäumnisurteil“.

➧ Es droht ein Versäumnisurteil

Selbstverständlich erlässt ein Gericht ein Versäumnisurteil nicht „einfach so“. Vielmehr prüft es zunächst, ob der vom Kläger behauptete Sachverhalt in sich logisch ist. Dann prüft es, ob sich – die Richtigkeit dieser Behauptungen unterstellt – auf dieser Basis für den Kläger ein Anspruch aus dem Gesetz ergibt.

Sofern beides der Fall ist, erlässt das Gericht ein Versäumnisurteil. Einen entsprechenden Antrag hatte der Kläger im Beispielfall gestellt.

Ein Versäumnisurteil verhindert ein „Ausbremsen“

Ein Versäumnisurteil bedeutet: Selbst wenn sich der Beklagte zur Klage nicht geäußert hat, kommt es zu einem Urteil. Das sorgt dafür, dass ein Beklagter eine Klage nicht auf Dauer ausbremsen kann. Dass er sich zur Klage nicht äußert, ist sein Problem. Die Chance dazu hätte er gehabt.

Dabei wird das Gericht sehr sorgfältig darauf achten, dass die Klage wirklich zugestellt wurde und alle gesetzlich vorgesehenen Fristen eingehalten worden sind. Auch wenn immer wieder anderes behauptet wird: Kein Versäumnisurteil ergeht „aus heiterem Himmel“.

Es gilt eine Einspruchsfrist von zwei Wochen

Ein Versäumnisurteil wird dem Beklagten – wie jedes andere Urteil – förmlich zugestellt. Dies gibt ihm Gelegenheit, Einspruch gegen das Versäumnisurteil einzulegen. Tut er das, kommt es doch noch zu einer Verhandlung, in der er sich inhaltlich zur Klage äußern kann. Dann bleibt das Versäumnisurteil eine Art rechtliches Zwischenspiel, das keine besonderen Folgen hat.

Allerdings muss sich der Beklagte beeilen. Denn für einen Einspruch gegen ein Versäumnisurteil hat er nur zwei Wochen Zeit (§ 339 Abs. 1 Zivilprozessordnung – ZPO).

Danach wird das Versäumnisurteil rechtskräftig

Im Beispielfall versäumte die Beklagte diese Frist. Damit war das Versäumnisurteil rechtskräftig. Dies bedeutet: Der Rechtsstreit ist endgültig entschieden. Irgendwelche Rechtsmittel gibt es nicht mehr. Damit gibt es auch keine „weitere Instanz“. Vielmehr kann das Urteil dann vollstreckt werden. Dazu muss der Kläger aktiv werden und geeignete Anträge für eine Vollstreckung des Urteils stellen.

In unserem Fall ignorierte die GmbH als Beklagte das rechtskräftige Urteil. Die Auskunft, zu der sie verurteilt war, erteilte sie schlicht nicht. Viele würden vermuten, dass der Kläger nun einen Gerichtsvollzieher mit der Vollstreckung beauftragen könnte. Das wäre jedoch ein Irrweg. Denn kein Gerichtsvollzieher kann aus einem möglicherweise großen Berg von Daten die für die Auskunft notwendigen Daten heraussuchen. Dies kann nur die Beklagte selbst.

➧ Ein Zwangsgeld soll Druck machen

Dies ist die Situation, für die das Gesetz die Möglichkeit eines Zwangsgeldes vorsieht. Denn das Heraussuchen der Daten ist eine Handlung, die nur die GmbH selbst als Schuldner vornehmen kann, nicht jedoch ein „Dritter“, also irgendjemand anders.

Um die GmbH dazu zu motivieren, kann das Gericht ein Zwangsgeld verhängen (§ 888 ZPO). Das ist auch mehrfach hintereinander möglich. Dabei kann jedes einzelne Zwangsgeld bis zu 25.000 € betragen. Berücksichtigt man dies, war das Gericht im Beispielfall noch recht zurückhaltend. Denn es beschränkte sich darauf, zunächst einmal 300 € Zwangsgeld zu verhängen.

➧ Zwangshaft ist das letzte Mittel

Manchmal ist bei einem Beklagten finanziell schlicht nichts zu holen. Dann kann ihm die Verhängung eines Zwangsgeldes relativ egal sein. Doch auch diesen Fall hat das Gesetz bedacht. Für den Fall, dass ein verhängtes Zwangsgeld nicht vollstreckt werden kann, kann das Gericht ersatzweise Zwangshaft anordnen. So erklärt es sich, dass das Gericht „ersatzweise drei Tage Zwangshaft“ angeordnet hat.

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➧ Bei einer GmbH ist der Geschäftsführer dran

Eine GmbH ist eine juristische Person. Der Gedanke, eine juristische Person inhaftieren zu wollen, ist natürlich Unfug. Möglich bleibt jedoch eine Inhaftierung des Geschäftsführers. Entsprechend sah die Anordnung des Gerichts aus. Es verfügte nämlich, dass eine etwaige Zwangshaft gegen den Geschäftsführer zu vollstrecken ist. Er ist im Beschluss des Gerichts namentlich genannt. Wenn es zur Zwangshaft käme, würde er zur Not von der Polizei abgeholt und tatsächlich inhaftiert.

In der Praxis kommt es häufiger vor, dass eine GmbH mehrere Geschäftsführer hat. Dann kann sich der Kläger aussuchen, gegen welchen der Geschäftsführer sich die Zwangshaft richten soll. Den Namen des Ausgewählten muss er in seinem Antrag an das Gericht nennen.

➧ Geldbußen nach DSGVO sind eine völlig andere Baustelle

Im Beispielfall ging es lediglich darum, dass die betroffene Person ihren Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO mit Mitteln des Zivilrechts gerichtlich durchsetzt. Die Pflichten und Möglichkeiten der Aufsichtsbehörden für den Datenschutz werden dadurch nicht berührt. Es wäre deshalb ohne Weiteres möglich, dass die zuständige Datenschutz-Aufsichtsbehörde gegen die GmbH außerdem noch eine Geldbuße gemäß Art. 83 DSGVO verhängt.

➧ Auskunftsansprüche nach DSGVO haben „Zähne“

Der Fall zeigt, dass Auskunftsansprüche nach der DSGVO keineswegs nur auf dem Papier stehen. Allerdings braucht die betroffene Person einige Hartnäckigkeit. Einen Rechtsanwalt, der sie dabei unterstützt, wird sie leicht finden.

Was hier zum Thema Versäumnisurteil geschildert ist, gehört zum anwaltlichen Basiswissen. Auf einen – im Zweifelsfall teuren – Spezialisten muss die betroffene Person also nicht zurückgreifen.

Der Beispielfall wurde vom Amtsgericht Berlin-Charlottenburg mit Beschluss vom 25.03.2024 entschieden. Der Beschluss trägt das Aktenzeichen 224 C 484/23. Bisher ist er leider noch nicht im Internet frei verfügbar, sondern nur in kostenpflichtigen juristischen Datenbanken.

Dr. Eugen Ehmann

Dr. Eugen Ehmann
Verfasst von
Dr. Eugen Ehmann
Dr. Eugen Ehmann
Dr. Eugen Ehmann ist ausgewiesener Fachmann auf dem Gebiet des Datenschutzes in Unternehmen & Behörden. Er ist Herausgeber eines renommierten DSGVO-Kommentars und Autor zahlreicher Beiträge in der Datenschutz PRAXIS sowie in vielen weiteren Datenschutz-Veröffentlichungen. Außerdem moderiert er seit 2003 die IDACON , den renommierten Datenschutz-Kongress.
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