➧ Es geht um eine beliebte App für Wertpapierhandel
Scalable Capital GmbH ist ein deutsches Unternehmen, das eine Trading App betreibt. Die App dient dazu, Wertpapierdepots einzurichten. Dabei ist es notwendig, eine ganze Reihe personenbezogener Daten anzugeben. Dazu gehören Namen, Geburtsdatum, Postanschrift, Mailadresse und eine digital gespeicherte Kopie des Personalausweises des Depotinhabers.
➧ Unbekannte haben umfangreich Daten abgegriffen
Die Kläger sind Depotinhaber. Im Jahr 2020 haben Unbekannte die persönlichen Daten der Kläger abgegriffen und auch die Daten zum Inhalt ihrer Depots. Dies steht fest. Zumindest bisher scheint es dagegen so, dass diese Daten nicht in betrügerischer Weise verwendet wurden. Das behauptet jedenfalls Scalable Capital GmbH.
➧ Die Kläger fordern Schmerzensgeld
Die Kläger sind der Auffassung, durch den Diebstahl der Daten sei ihnen ein „immaterieller Schaden“ entstanden. Sie fordern also Schmerzensgeld dafür, dass sie einen künftigen Missbrauch ihrer Daten befürchten müssen. Sie sehen sich als Opfer eines Identitätsdiebstahls – mit allen Risiken, die dadurch entstanden sind. Da das Unternehmen keinen Schadensersatz leisten will, wandten sich die Kläger an das zuständige Amtsgericht.
➧ Das Gericht will nicht so recht
Das Verhalten des Gerichts wirkt zwiespältig. Einerseits scheint es dazu zu neigen, Schadensersatz zu gewähren. Andererseits hält es die Angelegenheit wohl eher für eine Bagatelle, die nach den bisherigen Maßstäben deutscher Gerichte keinen Schadensersatz rechtfertigt. Dieser Eindruck ergibt sich aus den Fragen, die das Gericht an den EuGH richtet. Von den Antworten des EuGH erhofft sich das Gericht Klarheit, wie es letztlich verfahren soll.
➧ Schäden durch Datenklau hält das Gericht für eher harmlos
Dass bei Körperverletzungen ein Schmerzensgeld fällig ist, hält das Gericht für richtig. Bei Schäden, die durch Datenklau entstehen, scheint ihm das dagegen nicht zwingend notwendig. Nur so lässt sich folgende Frage erklären, die das Gericht an den EuGH richtet: „Ist … von einem strukturellen Rangverhältnis oder zumindest Regel-Ausnahme-Rangverhältnis auszugehen, bei dem das von einer Datenverletzung ausgehende Beeinträchtigungserleben weniger Gewicht hat als das mit einer Körperverletzung verknüpfte Beeinträchtigungs- und Schmerzerleben?“
➧ Der EuGH widerspricht dieser Idee deutlich
Nach Auffassung des EuGH ist ein „durch eine Verletzung des Schutzes personenbezogener Daten verursachter Schaden seiner Natur nach nicht weniger schwerwiegend … als eine Körperverletzung.“ (Rn. 39 des Urteils). Dies begründete er damit, dass die DSGVO eine solche Hierarchie verschiedener Arten von Schäden nicht kennt. Vielmehr setzt sie „physische, materielle oder immaterielle Schäden gleich“ (Rn. 37 des Urteils). Ein Schaden ist also erst einmal ein Schaden, egal ob er in einer Körperverletzung besteht („physischer Schaden“), in einer Schädigung des Vermögens („materieller Schaden“) oder in einer Beeinträchtigung des seelischen Empfindens („immaterieller Schaden“).