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27. September 2024

Gesundheitsdaten in interner Stellenanzeige

Besteht Schadensersatzanspruch, wenn Gesundheitsdaten einer internen Stellenausschreibung veröffentlicht werden? Die Frage wird hier mit einer Lupe über dem Schriftzug Stellenangebot bebildert.
Bild: Stadtratte / iStock / Getty Images Plus
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DSGVO-Schadensersatz
Ein städtischer Beamter scheint dienstunfähig zu sein und wird deshalb wohl in den Ruhestand treten müssen. Die Stadt schreibt intern schon einmal seine Nachfolge aus. Dabei skizziert sie den Gesundheitszustand des Beamten. Der will deshalb Schadensersatz in Höhe von 20.000 €. Was sagt das zuständige Gericht dazu?

➧ Ein Beamter erleidet einen Schlaganfall

Fast 30 Jahre lang lief es bei einem Beamten gesundheitlich und auch karrieremäßig gut. Als junger Mann begann er seine Laufbahn am 1.8.1988 bei einer Stadt. Danach wechselte er innerhalb des öffentlichen Dienstes mehrfach die Stelle. Seit 1.1.2016 leitete er das Haupt- und Personalamt einer Stadt in Baden-Württemberg. Am 13.3.2017 erlitt er einen Schlaganfall. Die Folgen beeinträchtigten ihn erheblich.

➧ Der Arbeitgeber will seinen Ruhestand

Die Stadt ging davon aus, dass der Beamte seinen Dienst nicht weiter ausüben kann. Deshalb leitete sie ein Verfahren ein mit dem Ziel, ihn aus gesundheitlichen Gründen in den Ruhestand zu versetzen. Noch bevor dieses Verfahren abgeschlossen war, wollte die Stadt schon für einen Nachfolger sorgen.

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➧ Parallel wird seine Stelle intern ausgeschrieben

Die Leitung eines Haupt- und Personalamts ist eine ausgesprochen herausgehobene Position. Deshalb wollte die Stadt vermeiden, dass diese Funktion für eine längere Zeit nicht wahrgenommen wird. Sie schrieb die Stelle deshalb intern zur Neubesetzung aus. Dabei wollte sie klarstellen, dass die Stelle aus haushaltsrechtlichen Gründen erst besetzt werden kann, wenn der derzeitige Stelleninhaber in den Ruhestand getreten ist.

➧ Die Ausschreibung sagt etwas zur Gesundheit

Um den Hintergrund der Stellenausschreibung zu erläutern, nahm die Stadt folgende Passage in die Ausschreibung auf: „Aufgrund eines amtsärztlichen Gutachtens zur Untersuchung der Dienstfähigkeit des bisherigen Amtsinhabers hat der Gemeinderat der Stadt der Einleitung eines Verfahrens zur Versetzung in den Ruhestand wegen festgestellter Dienstunfähigkeit sowie der Wiederbesetzung der Amtsleiterstelle zugestimmt. Deshalb suchen wir eine/en neue/en Leiter/in des Hauptamts.“

Außerdem wies sie noch auf Folgendes hin: „Eine Einweisung in die Planstelle bzw. Beförderung kann erst nach Abschluss des Verfahrens zur Versetzung des bisherigen Amtsinhabers in den Ruhestand erfolgen.“

➧ Die Ausschreibung ergibt einen Nachfolger

Die Stellenausschreibung ging per Mail an 83 Adressaten innerhalb der Stadtverwaltung. Mehr als einen einzigen Bewerber erbrachte sie trotzdem nicht. Der Gemeinderat beschloss, dass dieser Bewerber der Nachfolger des derzeitigen Stelleninhabers werden sollte. Den derzeitigen Stelleninhaber versetzte sie mit Ablauf des Monats September 2018 in den Ruhestand.

➧ Der Beamte will jedoch weiter arbeiten

Gegen seine Versetzung in den Ruhestand wehrte sich der Beamte und klagte dagegen. Dabei war er erfolgreich. Das zuständige Verwaltungsgericht stellte mit rechtskräftigem Urteil fest, dass er sehr wohl noch ausreichend dienstfähig sei und hob deshalb die Versetzung in den Ruhestand auf. Der Beamte übt seinen Dienst nach wie vor aus.

➧ Der Beamte fühlt sich bloßgestellt

Der Beamte vertritt die Auffassung, dass die Ausführungen der Stellenausschreibung gegen die DSGVO verstoßen haben und dass ihm deshalb ein Anspruch auf DSGVO-Schadensersatz zusteht. Er sei durch die Stellenausschreibung zu Unrecht als dienstunfähig gebrandmarkt worden und fühle sich deshalb innerhalb der Stadtverwaltung bloßgestellt. Als Schadensersatz stellt er sich 20.000 € vor. Die Stadt reagierte auf diese Forderung in keiner Weise. Deshalb erhob der Beamte Klage.

➧ Die Datenschutzaufsicht äußert sich

Parallel dazu schaltete der Beamte die Datenschutzaufsicht Baden-Württemberg ein. In zwei Schreiben stellte der Landesbeauftragte fest, dass die Ausführungen zur Dienstfähigkeit des Beamten in der Stellenausschreibung gegen die DSGVO verstoßen würden. Für den Fall einer Wiederholung drohte der Landesbeauftragte aufsichtsrechtliche Maßnahmen an.

➧ Das Gericht gewährt Schadensersatz

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts sind die Voraussetzungen des Art. 82 DSGVO für einen Anspruch auf Schadensersatz in Form eines Schmerzensgeldes gegeben. Hierzu führt es aus:

➧ Es geht um sensible Gesundheitsdaten

  • Es liegt ein Verstoß gegen Art. 9 DSGVO vor, der unter anderem die Verarbeitung von Gesundheitsdaten regelt.
  • Dieser Verstoß ergibt sich daraus, dass in der Stellenausschreibung die „festgestellte Dienstunfähigkeit“ des Klägers angesprochen wird.
  • Bei der Klärung der Dienstfähigkeit, die der Arbeitsfähigkeit im Sinn des Arbeitsrechts entspricht, geht es um Gesundheitsdaten (Art. 4 Nummer 15 DSGVO). Denn die Frage der Dienstfähigkeit basiert auf dem Gesundheitszustand.
  • Dass es beim „bisherigen Amtsinhaber“ um den konkreten Beamten geht, war zumindest innerhalb der Stadtverwaltung allgemein erkennbar. Damit lag ein Bezug zu seiner Person vor.

➧ Die Datenweitergabe war rechtswidrig

  • Der Versand der Stellenanzeige an 83 Empfänger stellt eine Verarbeitung von Gesundheitsdaten dar, weil die Gesundheitsdaten dabei gegenüber den Empfängern offengelegt wurden (Art. 4 Nummer 2 DSGVO).
  • Diese Verarbeitung war rechtswidrig. Keine der Voraussetzungen, unter denen gemäß Art. 9 Abs. 2 DSGVO die Verarbeitung von Gesundheitsdaten ausnahmsweise zulässig ist, lagen in diesem Fall vor.
  • Die Stadt macht geltend, sie habe Bewerbern klarmachen müssen, dass die Ruhestandsversetzung des Beamten noch nicht rechtskräftig erfolgt sei und dass deshalb seine Nachfolge jedenfalls nicht sofort angetreten werden könne.
  • Dies akzeptiert das Gericht nicht. Ein Hinweis darauf, dass eine sofortige Nachfolge möglicherweise nicht erfolgen könne, hätte auch in allgemeiner Form erfolgen können. Es sei nicht notwendig gewesen, dabei auf die Dienstfähigkeit des jetzigen Stelleninhabers einzugehen.

➧ Ein Argument ist fast abenteuerlich

  • Für fast schon abenteuerlich scheint das Gericht das Argument der Stadt zu halten, dass alle Empfänger der Stellenausschreibung zur Verschwiegenheit verpflichtet seien und dass deshalb die Angaben zum Gesundheitszustand des Beamten unproblematisch gewesen seien. Hierzu sagt das Gericht trocken: „Ein solcher Rechtfertigungsgrund existiert nicht und ginge auch zu weit.“

➧ Das Gericht sieht einen relevanten Schaden

Der Beamte macht aus der Sicht des Gerichts zu Recht geltend, dass er durch die Stellenausschreibung innerhalb der Stadtverwaltung als dienstunfähig herabgewürdigt worden sei. Ferner habe durchaus die Gefahr bestanden, dass Adressaten der Ausschreibung die Angaben zu Dienstunfähigkeit nach außen weitergeben würden. Entsprechende Befürchtungen des Beamten seien „nicht unbegründet“.

➧ 2500 € scheinen gerechtfertigt

Nach Auffassung des Gerichts liegt „kein ganz geringfügiger Verstoß“ vor. Zudem seien Gesundheitsdaten betroffen, also sensible Daten. Außerdem sei der Beamte immerhin gegenüber 83 Empfängern der E-Mail als dienstunfähig abgestempelt worden. Dabei habe sich die angebliche Dienstunfähigkeit am Ende noch nicht einmal bestätigt. Aufgrund dieser Argumente hält das Gericht ein Schmerzensgeld von 2500 € für angemessen, aber auch ausreichend.

➧ Standards für Schmerzensgelder entstehen

Um das gefundene Ergebnis abzusichern, führt das Gericht eine ganze Reihe von Entscheidungen anderer Gerichte an, in denen es auch um die rechtswidrige Verarbeitung von Gesundheitsdaten ging. Dabei erhielten die Betroffenen jeweils ein Schmerzensgeld im Bereich zwischen 1500 € und 2000 €. Die Ausführungen wirken so, als würde sich damit ein allgemeiner Standard für derartige Fälle herauskristallisieren. Vorsicht ist jedoch geboten. Denn bisher hat sich der Europäische Gerichtshof zum Thema „Höhe von DSGVO-Schadensersatz“ noch kaum geäußert.

➧ Hier ist das Urteil zu finden

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 20.6.2024 ist bei Eingabe des Aktenzeichens 14 K 870/22 auf mehreren Internetseiten zu finden.

Dr. Eugen Ehmann

Dr. Eugen Ehmann
Verfasst von
Dr. Eugen Ehmann
Dr. Eugen Ehmann
Dr. Eugen Ehmann ist ausgewiesener Fachmann auf dem Gebiet des Datenschutzes in Unternehmen & Behörden. Er ist Herausgeber eines renommierten DSGVO-Kommentars und Autor zahlreicher Beiträge in der Datenschutz PRAXIS sowie in vielen weiteren Datenschutz-Veröffentlichungen. Außerdem moderiert er seit 2003 die IDACON , den renommierten Datenschutz-Kongress.

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