➧ Die Lindenapotheke nutzt „Amazon Marketplace“
Die „Lindenapotheke“ hatte einen neuen Vertriebsweg für apothekenpflichtige Arzneimittel erschlossen. Sie bot solche Arzneimittel auf dem „Amazon Marketplace“ an. Besteller mussten ihren Namen und eine Lieferadresse eingeben. Soweit für die pharmazeutische Beratung notwendig, forderte die Apotheke noch zusätzliche Angaben. Eine ausdrückliche Einwilligung der Kunden in die Verarbeitung ihrer Daten holte die Apotheke nicht ein. Sie hielt das für nicht erforderlich.
➧ Eine Konkurrenzapotheke hält das für rechtswidrig
Eine Konkurrenzapotheke hätte den Vertriebsweg über „Amazon Marketplace“ auch sehr gerne genutzt. Dennoch verzichtete sie darauf. Sie war nämlich der Auffassung, dass sie dabei von jedem Kunden eine ausdrückliche Einwilligung in die Verarbeitung seiner Daten benötigen würde. Die Möglichkeit für eine solche Einwilligung bietet „Amazon Marketplace“ aber nicht an.
➧ Die Konkurrenz mahnt korrektes Verhalten an
Die Konkurrenzapotheke betrachtete das Vorgehen der „Lindenapotheke“ als unlauteren Wettbewerb. Sie begründet das so: Eine Bestellmöglichkeit über Amazon konnte die „Lindenapotheke“ nur anbieten, weil sie sich nicht darum scherte, dass eine ausdrückliche Einwilligung der Kunden erforderlich war. Damit verschaffte sie sich einen wirtschaftlichen Vorteil gegenüber der Konkurrenzapotheke, die wegen der Vorgaben der DSGVO auf derartige Geschäftsmöglichkeiten verzichtete.
➧ Die Einwilligungsfrage kann zunächst offenbleiben
Welche der beiden Apotheken Recht hat, ob eine ausdrückliche Einwilligung also erforderlich ist oder nicht, kann zunächst einmal dahinstehen. Aus der Sicht des BGH stellt sich diese Frage nämlich erst, wenn ein viel grundlegenderes Problem geklärt ist. Dabei geht es um die Frage, wie sich die DSGVO und das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb zueinander verhalten. Ist es möglich, wegen Verletzungen des Datenschutzes auf der Basis des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb gegen einen Konkurrenten vorzugehen? Oder schließt die DSGVO diese Möglichkeit aus, weil sie den Vorrang vor diesem Gesetz hat?
➧ Die DSGVO schweigt in einem wichtigen Punkt
Die DSGVO enthält Regelungen dazu, wer aktiv werden kann, wenn ein Unternehmen gegen die Vorgaben der DSGVO verstößt. Dazu gehören die Sanktionsmöglichkeiten der Aufsichtsbehörden für den Datenschutz. Hinzu kommt das Recht betroffener Personen, sich gerichtlich gegen Verstöße zu wehren, die sie persönlich betreffen. Zu der Frage, ob ein Unternehmen gegen ein anderes Unternehmen vorgehen kann, das sich durch Datenschutzverstöße einen unlauteren Wettbewerbsvorteil verschafft, sagt die DSGVO dagegen nichts. Das hat zu einem Meinungsstreit geführt:
- Ein Teil der Gerichte interpretiert dieses Schweigen der DSGVO so: Die DSGVO regelt abschließend, wer auf welchem Weg gegen Verletzungen der DSGVO vorgehen kann. Dabei bietet sie keine Möglichkeit, dass ein Unternehmen Konkurrenzunternehmens wegen Verstößen gegen die DSGVO auf Unterlassung verklagt.
- Andere Gerichte sind dagegen der Auffassung, dass die DSGVO diese Frage überhaupt nicht regeln will. Daraus ziehen sie den Schluss, dass sehr wohl neben der DSGVO Unterlassungsansprüche auf der Basis des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb bestehen können.
➧ Der Wortlaut der DSGVO hilft nicht weiter
Zunächst geht der EuGH auf den Wortlaut von Kapitel VIII der DSGVO (Überschrift: „Rechtsbehelfe, Haftung und Sanktionen“) ein. Der Text dieses Kapitels schließe jedenfalls nicht ausdrücklich aus, dass ein Mitbewerber eines Unternehmens gerichtlich gegen dieses Unternehmen vorgeht, um ihm Verstöße gegen die DSGVO untersagen zu lassen. Der Text lasse diese Möglichkeit vielmehr zumindest offen.