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10. Oktober 2024

Rechtsschutz neben der DSGVO?

Fotografie des roten Apothekenzeichens
Bild: caughtinthe/iStock /Getty Images Plus
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Inhalte in diesem Beitrag
Unlauterer Wettbewerb
Ein Unternehmen verstößt gegen Vorgaben der DSGVO. Dadurch verschafft es sich einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Konkurrenzunternehmen, die sich korrekt verhalten. Können die Konkurrenzunternehmen gerichtlich gegen den Datenschutzfrevler vorgehen? Der Europäische Gerichtshof (EuGH) gibt eine klare Antwort.

➧ Die Lindenapotheke nutzt „Amazon Marketplace“

Die „Lindenapotheke“ hatte einen neuen Vertriebsweg für apothekenpflichtige Arzneimittel erschlossen. Sie bot solche Arzneimittel auf dem „Amazon Marketplace“ an.  Besteller mussten ihren Namen und eine Lieferadresse eingeben. Soweit für die pharmazeutische Beratung notwendig, forderte die Apotheke noch zusätzliche Angaben. Eine ausdrückliche Einwilligung der Kunden in die Verarbeitung ihrer Daten holte die Apotheke nicht ein. Sie hielt das für nicht erforderlich.

➧ Eine Konkurrenzapotheke hält das für rechtswidrig

Eine Konkurrenzapotheke hätte den Vertriebsweg über „Amazon Marketplace“ auch sehr gerne genutzt. Dennoch verzichtete sie darauf. Sie war nämlich der Auffassung, dass sie dabei von jedem Kunden eine ausdrückliche Einwilligung in die Verarbeitung seiner Daten benötigen würde. Die Möglichkeit für eine solche Einwilligung bietet „Amazon Marketplace“ aber nicht an.

➧ Die Konkurrenz mahnt korrektes Verhalten an

Die Konkurrenzapotheke betrachtete das Vorgehen der „Lindenapotheke“ als unlauteren Wettbewerb. Sie begründet das so: Eine Bestellmöglichkeit über Amazon konnte die „Lindenapotheke“ nur anbieten, weil sie sich nicht darum scherte, dass eine ausdrückliche Einwilligung der Kunden erforderlich war. Damit verschaffte sie sich einen wirtschaftlichen Vorteil gegenüber der Konkurrenzapotheke, die wegen der Vorgaben der DSGVO auf derartige Geschäftsmöglichkeiten verzichtete.

➧ Die Einwilligungsfrage kann zunächst offenbleiben

Welche der beiden Apotheken Recht hat, ob eine ausdrückliche Einwilligung also erforderlich ist oder nicht, kann zunächst einmal dahinstehen. Aus der Sicht des BGH stellt sich diese Frage nämlich erst, wenn ein viel grundlegenderes Problem geklärt ist. Dabei geht es um die Frage, wie sich die DSGVO und das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb zueinander verhalten. Ist es möglich, wegen Verletzungen des Datenschutzes auf der Basis des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb gegen einen Konkurrenten vorzugehen? Oder schließt die DSGVO diese Möglichkeit aus, weil sie den Vorrang vor diesem Gesetz hat?

➧ Die DSGVO schweigt in einem wichtigen Punkt

Die DSGVO enthält Regelungen dazu, wer aktiv werden kann, wenn ein Unternehmen gegen die Vorgaben der DSGVO verstößt. Dazu gehören die Sanktionsmöglichkeiten der Aufsichtsbehörden für den Datenschutz. Hinzu kommt das Recht betroffener Personen, sich gerichtlich gegen Verstöße zu wehren, die sie persönlich betreffen. Zu der Frage, ob ein Unternehmen gegen ein anderes Unternehmen vorgehen kann, das sich durch Datenschutzverstöße einen unlauteren Wettbewerbsvorteil verschafft, sagt die DSGVO dagegen nichts.  Das hat zu einem Meinungsstreit geführt:

  • Ein Teil der Gerichte interpretiert dieses Schweigen der DSGVO so: Die DSGVO regelt abschließend, wer auf welchem Weg gegen Verletzungen der DSGVO vorgehen kann. Dabei bietet sie keine Möglichkeit, dass ein Unternehmen Konkurrenzunternehmens wegen Verstößen gegen die DSGVO auf Unterlassung verklagt.
  • Andere Gerichte sind dagegen der Auffassung, dass die DSGVO diese Frage überhaupt nicht regeln will. Daraus ziehen sie den Schluss, dass sehr wohl neben der DSGVO Unterlassungsansprüche auf der Basis des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb bestehen können.

➧ Der Wortlaut der DSGVO hilft nicht weiter

Zunächst geht der EuGH auf den Wortlaut von Kapitel VIII der DSGVO (Überschrift: „Rechtsbehelfe, Haftung und Sanktionen“) ein. Der Text dieses Kapitels schließe jedenfalls nicht ausdrücklich aus, dass ein Mitbewerber eines Unternehmens gerichtlich gegen dieses Unternehmen vorgeht, um ihm Verstöße gegen die DSGVO untersagen zu lassen. Der Text lasse diese Möglichkeit vielmehr zumindest offen.

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➧ Der Regelungszusammenhang klärt die Dinge

Nach Auffassung des EuGH befasst sich die DSGVO nur mit dem Schutz der Personen, deren Daten verarbeitet werden. Nur diese Konstellation hat sie im Auge. Um den Schutz vor unlauteren Wettbewerb kümmert sich die DSGVO dagegen nicht. Sofern Verstöße gegen die DSGVO als unlauteren Wettbewerb anzusehen sind, steht deshalb nichts dagegen, auf der Basis anderer rechtlicher Grundlage gegen sie einzuschreiten.

➧ Dies stärkt den Schutz betroffener Personen

Wenn ein Unternehmen gegen ein Konkurrenzunternehmen vorgeht, um Verstöße gegen die DSGVO als unlauteren Wettbewerb zu unterbinden, stärkt das die praktische Wirksamkeit der DSGVO. Denn dadurch wird das Schutzniveau für personenbezogene Daten allgemein verbessert. Das ist zwar nicht das eigentliche Ziel von gerichtlichen Schritten gegen unlauteren Wettbewerb. Im Ergebnis hilft dies jedoch dabei, die Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Personen bei der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten zu schützen.

➧ Wettbewerbsklagen sind besonders effektiv

Eine erfolgreiche Klage eines Unternehmens gegen einen unlauteren Wettbewerber sorgt dafür, dass für die Zukunft zahlreiche Verletzungen der Rechte betroffener Personen verhindert werden. Deshalb entspricht es dem Sinn und Zweck der DSGVO, die Möglichkeit dazu neben den Rechtsschutzmöglichkeiten zuzulassen, die sich aus der DSGVO ergeben.

➧ Der EuGH sieht das Wettbewerbsrecht sehr positiv

Insgesamt wirken die Ausführungen des EuGH fast schon wie ein Loblied auf die Segnungen des Wettbewerbsrechts. Er sieht darin offensichtlich ein sehr willkommenes zusätzliches Instrument, um die Rechte betroffener Personen zu schützen. Aussagen von dieser Klarheit hatten zwar manche erhofft, die meisten aber eher nicht erwartet.

➧ Die DSGVO beeinflusst das Konkurrenzverhältnis

Fälle, in denen ein Unternehmen personenbezogene Daten von Kundinnen und Kunden ohne die erforderliche Rechtsgrundlage verarbeiten, beeinflussen oft das Konkurrenzverhältnis zwischen den Unternehmen einer Branche. Der Fall der beiden Apotheken zeigt dies sehr deutlich. Die eine Apotheke missachtet die Notwendigkeit einer ausdrücklichen Einwilligung und macht wunderbare Geschäfte über Amazon Marketplace. Ihre Konkurrentin lässt sich solche Geschäfte entgehen, weil sie dabei gegen die DSGVO verstoßen würde. Das verschiebt das Konkurrenzverhältnis zwischen den beiden Apotheken.

➧ Unterlassungsklagen sind ein scharfes Schwert

Wettbewerbsrechtliche Auseinandersetzungen zwischen Konkurrenzunternehmen werden üblicherweise mit den Mitteln des einstweiligen Rechtsschutzes geführt. Dies bedeutet, dass ein Unternehmen beim zuständigen Gericht (meist einem Landgericht) beantragt, einem Konkurrenzunternehmen bestimmte Vorgehensweisen durch einstweilige Verfügung zu untersagen. Solche einstweiligen Verfügungen sind oft binnen weniger Tage zu erreichen. Sie können dann auch sofort vollstreckt werden.

➧ Eine neue Ära der Rechtsprechung beginnt

Die Gerichte, die über Klagen wegen unlauteren Wettbewerbs durch Datenschutzverletzungen zu entscheiden haben, werden rasch als wichtige neue „Mitspieler“ bei der Rechtsprechung zum Datenschutz in Erscheinung treten. Denn es ist damit zu rechnen, dass bei ihnen schon bald zahlreiche einschlägige Klagen eingehen. Datenschutzbeauftragte tun gut daran, diese Entwicklung aktiv zu beobachten.

➧ Hier ist die Entscheidung des EuGH zu finden

Das Urteil des EuGH vom 4.10.2024 trägt das Aktenzeichen C-21/23. Bei Eingabe des Aktenzeichens im Internet ist es problemlos zu finden. Die hier dargestellte Frage des Verhältnisses zwischen der DSGVO und dem Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb ist in der Entscheidung in den Rn. 46-73 behandelt. Der zugrunde liegende Sachverhalt, über den der BGH zu entscheiden hat, ist in den Rn. 25-27 dargestellt.

Ein anderer Teil des Urteils (Rn. 74-94) behandelt die Frage, wann Daten als Gesundheitsdaten im Sinn der DSGVO anzusehen sind. Diesen Teil greifen wir möglicherweise in einem gesonderten Newsletter auf.

Dr. Eugen Ehmann

Dr. Eugen Ehmann
Verfasst von
Dr. Eugen Ehmann
Dr. Eugen Ehmann
Dr. Eugen Ehmann ist ausgewiesener Fachmann auf dem Gebiet des Datenschutzes in Unternehmen & Behörden. Er ist Herausgeber eines renommierten DSGVO-Kommentars und Autor zahlreicher Beiträge in der Datenschutz PRAXIS sowie in vielen weiteren Datenschutz-Veröffentlichungen. Außerdem moderiert er seit 2003 die IDACON , den renommierten Datenschutz-Kongress.

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