Eigentlich geht es um Geld statt um Auskunftsanspruch
Zwischen einem Versicherten und seiner Versicherung gab es Streit. Ab 1. Juli 1997 hatte der Kläger eine Kapital-Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung abgeschlossen. Mit Schreiben vom 10. Januar 2016, also fast 19 Jahre später, behauptete der Versicherte, der Vertrag sei überhaupt nicht zustande gekommen. Deshalb verlangt er nun, dass die Versicherung ihm die gezahlten Versicherungsprämien zurückerstattet.
Der Streit verlagert sich auf den Auskunftsanspruch
Ob diese Rückzahlungsforderung berechtigt ist oder nicht, kann dahinstehen. Das wird irgendwann gerichtlich entschieden werden. Vorliegend geht es erst einmal um etwas anderes. Der Kläger verlangt von der Versicherung Auskunft über alle personenbezogenen Daten, welche die Versicherung über ihn gespeichert hat.
Damit möchte er sich offensichtlich Informationen beschaffen, die in internen Unterlagen der Versicherung enthalten sind. Die Vermutung liegt nahe, dass er diese Informationen verwenden will, um seine Rückzahlungsforderung besser begründen zu können.
Der Kläger fordert sehr detaillierte Auskünfte
Die Versicherung hat dem Kläger mehrfach eine „Datenauskunft“ erteilt. Dabei hat sie erklärt, dass sie keine weiteren personenbezogenen Daten über den Kläger gespeichert und verarbeitet habe.
Daraufhin hat der Kläger sein Auskunftsbegehren präzisiert. Er hat von der Versicherung ausdrücklich gefordert, ihm auch Auskunft über folgende Daten zu geben:
- Korrespondenz zwischen ihm und der Versicherung (also Schreiben von ihm an die Versicherung sowie Schreiben der Versicherung an ihn)
- Nachträge zum Versicherungsschein und möglicherweise erteilte Zweitschriften von Versicherungsscheinen
- vollständige Daten des Prämienkontos
- Auskunft über sämtliche Telefonvermerke, Gesprächsvermerke und Bewertungsvermerke der Versicherung, die sich auf das Versicherungsverhältnis mit ihm beziehen
Die Versicherung blockt ab, es kommt zur Klage
Die Versicherung hat dem Kläger weder diese Daten übermittelt noch erklärt, dass es bei ihr keine Unterlagen mit solchen Daten gebe. Das wollte der Kläger nicht auf sich beruhen lassen. Er klagte auf Erteilung einer vollständigen Auskunft.
Das Landgericht Köln weist die Klage ab
Das Landgericht Köln als vorhergehende Instanz wies diese Klage ab. Seine Begründung: Die Versicherung habe eine vollständige Auskunft erteilt. Hinsichtlich der Daten, die der Kläger zusätzlich fordere, habe er keinen Auskunftsanspruch nach Art. 15 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Diese Daten würden aus unterschiedlichen Gründen nicht von diesem Auskunftsanspruch erfasst.
Der BGH sieht den Auskunftsanspruch in seinem Urteil völlig anders
Das sieht der BGH mit Entschiedenheit anders. Er wirft dem Landgericht Köln vor, dessen Auffassung beruhe jedenfalls teilweise „auf einem fehlerhaften Verständnis des Begriffs der personenbezogenen Daten im Sinn der DSGVO und des Zwecks des datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruchs“ (Randnummer 21 der Entscheidung).
Wesentliche Argumente, auf die das Landgericht Köln seine Ablehnung des Auskunftsanspruchs gestützt hatte, zerpflückt der BGH regelrecht.
Was sind alles personenbezogene Daten?
Dazu, was alles zu „personenbezogene Daten“ zugehört, hält der BGH fest:
- Der Begriff der personenbezogenen Daten ist nicht auf sensible oder private Informationen beschränkt. Vielmehr umfasst er potenziell alle Arten von Informationen, die in Stellungnahmen oder Beurteilungen enthalten sind, sofern sich die Informationen auf eine bestimmte Person beziehen.
- Die Informationen können objektiver oder subjektiver Art sein. Der Auskunftsanspruch ist nicht auf objektive Daten beschränkt.
- Dieser weite Begriff der personenbezogenen Daten, der in Art. 4 Nummer 1 Halbsatz 1 DSGVO enthalten ist, gilt auch im Rahmen von Art. 15 DSGVO. Es ist nicht zulässig, ihn dort auf „signifikante biografische Informationen“ zu verkürzen, die „im Vordergrund“ des jeweiligen Dokuments stehen.
- Genau dies hatte das Landgericht Köln aber getan. Das wird zwar da und dort in der Rechtsliteratur vertreten, ist aber nach Auffassung des BGH mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) „ersichtlich nicht zu vereinbaren“ (siehe dazu z.B. Urteil: Antworten im Examen als personenbezogene Daten).
Der Auskunftsanspruch geht sehr weit
Aus diesen Grundsätzen leitet der BGH eindeutige Konsequenzen für den konkreten Fall ab. Nach seiner Auffassung erstreckt sich der Auskunftsanspruch auch auf folgende Dokumente, nach denen der Kläger die Versicherung ausdrücklich gefragt hat:
- alle Schreiben des Klägers an die Versicherung
Ihr Bezug zur Person des Klägers ergibt sich bereits daraus, dass sich der Kläger durch diese Schreiben geäußert hat.
- alle Schreiben der Versicherung an den Kläger, die Informationen über die Person des Klägers enthalten
Dass diese Schreiben dem Kläger bereits bekannt sind, schließt den Auskunftsanspruch nicht aus. Dies ergibt sich schon daraus, dass eine betroffene Person grundsätzlich wiederholt Auskunft über dieselben Daten verlangen kann. Das betrifft dann in aller Regel Daten, die bereits bekannt sind. Nur in Ausnahmefällen kann der Verantwortliche in solchen Fällen die Auskunft verweigern (siehe Art. 12 Abs. 5 DSGVO).
- Nachträge zu Versicherungsscheinen und Zweitschriften
Das Argument, dass diese Dokumente dem Kläger schon bekannt seien, ist auch hier ohne Bedeutung.
- Daten über Prämienzahlungen des Klägers („Prämienkonto“)
Auch über „interne Vermerke“ ist Auskunft zu erteilen
Gesondert widmet sich der BGH der Frage, ob sich der Auskunftsanspruch auch auf interne Vermerke und die interne Kommunikation innerhalb der Versicherung bezieht, also beispielsweise auf die Kommunikation zwischen verschiedenen Abteilungen. Dabei unterscheidet er wie folgt:
- Interne Vermerke der Versicherung sind Gegenstand des Auskunftsanspruchs, wenn sie Informationen über den Kläger enthalten.
- Das ist beispielsweise bei Vermerken der Fall, die festhalten, wie sich der Kläger gegenüber der Versicherung geäußert hat, sei es telefonisch oder in persönlichen Gesprächen.
- Auch Vermerke der Versicherung über den Gesundheitszustand des Klägers enthalten personenbezogene Daten und sind damit Gegenstand des Auskunftsanspruchs.
- Anders als das Gericht meint, gibt es bei Art. 15 Abs. 1 DSGVO keine Ausnahmen vom Auskunftsanspruch für „interne Vorgänge“. Dieser Begriff ist in diesem Zusammenhang ohne Relevanz. Eine solche Einschränkung ergibt sich weder aus dem Wortlaut der Vorschrift noch nach ihrem Sinn und Zweck.