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21. Januar 2022

Meldung an die SCHUFA: 5.000 Euro Schadensersatz für Rufschädigung

Eine falsche Meldung an die SCHUFA kann zum Schadensersatz berechtigen
Bild: iStock.com / Mironov-Konstanti
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Voreilige Meldung an die SCHUFA
Es hört sich wie ein Märchen an: Jemand zahlt seine Stromrechnung nicht. Ein Gericht verurteilt ihn zur Zahlung. Daraufhin zahlt er doch. Trotzdem geht eine Meldung an die SCHUFA. Deshalb bekommt der Stromkunde jetzt 5.000 Euro Schadensersatz. Doch Vorsicht! Lesen Sie, wo der Teufel im Detail steckt!

Ein Vater verpennt, die Stromrechnung zu bezahlen

Ein alleinerziehender Vater mit zwei Mädchen steht manchmal ziemlich im Stress. Da kann auch mal eine Stromrechnung durchrutschen. Vor allem wenn der Betrag, in diesem Fall 291,68 Euro, keine Riesensumme ist. Wie auch immer, jedenfalls zahlte der Mann, der jetzt als Kläger vor Gericht auftritt, diese Rechnung nicht.

Der Stromlieferant schaltet ein Inkassobüro ein

Sein Stromlieferant schickte ihm am 31.7.2018 eine Mahnung. Reagiert hat er darauf nicht. Deshalb schaltete der Stromlieferant ein Inkassounternehmen ein, um die Forderung eintreiben zu lassen. Dieses Inkassounternehmen ist jetzt die Beklagte, mit der sich der alleinerziehende Vater vor Gericht streitet.

Der Vater will Schadensersatz vom Inkassobüro

Dabei geht es um Schadensersatz in Höhe von 5.000 Euro, weil das Inkassounternehmen nach Auffassung des Klägers völlig zu Unrecht eine Meldung an die SCHUFA geschickt hat. Zu dieser Meldung an die SCHUFA kam es so:

Das Inkassounternehmen schickte dem Kläger zwei oder vielleicht auch drei Mahnungen. Hier gibt es eine Unklarheit. Vor Gericht konnte das Inkassounternehmen nämlich nur zwei Mahnungen vorlegen. Angeblich gab es auch noch eine weitere, dritte Mahnung. Die hat es dem Gericht aber nie präsentiert.

Der Kläger bestreitet alle drei Mahnungen

Somit stehen im Ergebnis drei Mahnungen im Raum, nämlich die des Stromlieferanten und die beiden des Inkassobüros. Das Problem dabei: Der Kläger behauptet, keine dieser Mahnungen erhalten zu haben. Er bezweifelt nicht, dass sie abgeschickt worden sind. Allerdings hätten sie ihn nie erreicht.

Das Inkassobüro kann den Zugang der Mahnungen nicht beweisen

Das wirkt etwas merkwürdig. Ob gleich drei Briefe von zwei unterschiedlichen Absendern einfach so verloren gehen können? Gleich wie: In einem Zivilprozess gilt Grundsatz „Wer etwas behauptet, das für ihn günstig ist, muss es auch beweisen!“ Und hier konnte das Inkassobüro gewissermaßen nicht liefern.

Wichtig

Das Gericht stellt dazu trocken fest: „Beweisangebote für den Zugang der Mahnungen hat die Beklagte nicht unterbreitet.“ Mit anderen Worten: Der Zugang dieser Mahnungen gilt als nicht nachgewiesen.

Das Inkassobüro erreicht einen gerichtlichen Mahnbescheid

Dass dies so kommen würde, konnte damals noch niemand ahnen. Zunächst schien es nämlich so zu laufen, wie sich das Inkassobüro dies vorstellte. Es beantragte beim zuständigen Gericht gegen den alleinerziehenden Vater einen Mahnbescheid über 493,81 Euro. Auf diesen Betrag war die ursprüngliche Schuld von 291,68 Euro inzwischen durch Mahngebühren, Zinsen usw. angewachsen.

Ein Mahnbescheid ist einfach zu kriegen

Diesen Mahnbescheid bekam das Inkassobüro ohne Probleme. Eine Verhandlung vor Gericht ist dafür nicht nötig. Natürlich wird ein solcher Mahnbescheid dem Schuldner zugestellt. Denn wenn die Forderung nicht besteht, muss er die Chance haben, sich dagegen zu wehren. Hier geschah nun die nächste Merkwürdigkeit.

Der Mahnbescheid kam angeblich nicht bis zum Kläger

Der Kläger behauptet, von diesem Mahnbescheid habe er nie Kenntnis erlangt. Er könne sich höchstens vorstellen, dass er von dem Au-Pair-Mädchen angenommen worden sei, das er damals beschäftigt habe. Bis zu ihm sei der Mahnbescheid jedenfalls nie gekommen. Diese Behauptung hat das Inkassobüro offensichtlich nicht widerlegen können.

Dann folgte der Vollstreckungsbescheid

Auf den Mahnbescheid folgte ein Vollstreckungsbescheid. Auch ihn bekam das Inkassobüro problemlos. Der Grund hierfür ist einfach: Legt ein Schuldner gegen einen Mahnbescheid keinen Widerspruch ein, kann der Gläubiger ohne große Formalitäten beantragen, dass das Gericht ein Vollstreckungsbescheid ausstellt. Eine Verhandlung vor Gericht findet dabei nicht statt.

Ein Vollstreckungsbescheid wird dem Schuldner selbstverständlich zugestellt. Und man mag es angesichts der früheren Pannen mit Zustellungen, die der Kläger behauptet, kaum noch glauben: Das klappte tatsächlich. Der Kläger bekam den Vollstreckungsbescheid korrekt in seine Hände.

Er hat die Stromrechnung sofort bezahlt

Dass er seinen Strom bezahlen musste, war ihm klar. Deshalb zahlte er jetzt sofort, und zwar den Betrag von 493,81 Euro (also die ursprüngliche Stromrechnung plus die inzwischen angefallenen Gebühren, Zinsen usw.). Vermutlich dachte er, dass damit jetzt alles erledigt wäre. Schließlich hatte ihn die Sache jetzt ja genug unnötig Geld gekostet.

Die Meldung an die SCHUFA war aber schneller

Das dicke Ende kam jedoch noch. Wegen dieses dicken Endes streitet er sich jetzt mit dem Inkassounternehmen. Das hat folgenden Hintergrund:

  • Das zuständige Gericht erließ den Vollstreckungsbescheid am 16.7.2019.
  • Noch am selben Tag schickte das Inkassounternehmen eine Meldung mit dem Titel „Saldo nach gerichtlicher Entscheidung“ an die SCHUFA und teilte ihr mit, dass das Gericht den alleinerziehenden Vater zur Zahlung verurteilt hatte.
  • Das trug die SCHUFA sofort ein. Entsprechende Meldungen ergingen an die Banken, bei denen der Kläger Kunde war.
  • Zu diesem Zeitpunkt kannte der Kläger den Vollstreckungsbescheid noch gar nicht. Er wurde ihm erst zwei Tage später, am 18.7.2019 zugestellt. Wirklich in die Hände bekam er ihn sogar erst am 21.7.2019. Wegen eines verlängerten Wochenendes kam er nämlich erst an diesem Tag nach Hause.
  • Dann zahlte er allerdings sofort.
  • Das teilte das Inkassounternehmen der SCHUFA am 24.7.2019 mit. Die SCHUFA vermerkte die Zahlung korrekt. Den Banken, bei denen der Kläger Kunde war, teilte sie mit, dass er jetzt zwar gezahlt hatte, aber erst aufgrund eines Vollstreckungsbescheids.

Das brachte dem Kläger massive Schwierigkeiten

All dies änderte nichts mehr daran, dass der Kläger erhebliche Schwierigkeiten bekam. Dazu trug er vor Gericht Folgendes vor:

  • Er hatte bei der SCHUFA von da an einen schlechteren Scorewert. Deshalb wäre eine Immobilienfinanzierung um ein Haar gescheitert.
  • Die Deutsche Bank kündigte ihm die Kreditkarte. Trotz der Korrektur des SCHUFA-Eintrags hat die Bank die Kündigung aufrechterhalten.
  • Deshalb hat er bei American Express eine Kreditkarte beantragt und zunächst auch erhalten. Auch sie ist ihm jedoch sofort wieder gekündigt worden.
  • Die Deutsche Bank hat Kredite in Höhe von 67.000 Euro fällig gestellt und bei ihm eine Lohnpfändung veranlasst.

Deshalb verlangt er jetzt Schadensersatz

Neben anderen Dingen geht es dem Kläger jetzt um Schadensersatz in Form einer Art Schmerzensgeld. Nach seiner Auffassung steht ihm dies zu, weil sein geschäftliches Ansehen durch eine übereilte Meldung an die SCHUFA erheblich geschädigt worden ist.

Das Gericht spricht ihm 5.000 Euro Schadensersatz zu

Dieser Antrag des Klägers ist erfolgreich. Das Gericht hält 5.000 Euro Schadensersatz für angemessen. In seiner Begründung unterscheidet das Gericht zwei Aspekte. Zunächst stellt es fest, dass die Meldung an die SCHUFA voreilig war. Dann begründet es, warum dem Kläger deshalb ein Schadensersatz zusteht.

Die Meldung an die SCHUFA war voreilig

Für voreilig hält das Gericht die Meldung an die SCHUFA aus diesen Gründen:

  • Die Meldung ist schon an dem Tag erfolgte, an dem das Gericht den Vollstreckungsbescheid erlassen hat.
  • Damit hat die Beklagte die Daten verarbeitet (nämlich an die SCHUFA gemeldet), noch bevor der Kläger die bevorstehende Verarbeitung zumindest erkennen konnte.
  • Deshalb hatte er nicht einmal die Chance, auf den Vollstreckungsbescheid zu reagieren und die Forderung zu bezahlen.
  • Wie lange die Beklagte mit der Meldung an die SCHUFA hätte warten müssen, lässt das Gericht offen. Sein Argument: Hier hat die Beklagte überhaupt nicht gewartet, und das war auf jeden Fall zu kurz!

Dafür bekommt der Kläger Schmerzensgeld

Somit liegt in der Meldung an die SCHUFA eine unzulässige Datenverarbeitung. Dies begründet einen Anspruch auf Schadensersatz gemäß Art. 82 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Dabei geht es um Ersatz für einen Schaden, den man nicht in Geld messen kann, also um ein Schmerzensgeld.

  • Der Beklagten ist vorzuwerfen, dass sie bei der Meldung an die SCHUFA fahrlässig gehandelt hat. Ihr hätte klar sein müssen, dass sie zumindest eine kurze Zeit warten muss.
  • Das Ansehen des Klägers ist massiv beeinträchtigt worden. Seine Kreditwürdigkeit wurde ohne Grund infrage gestellt.
  • Dafür hält das Gericht ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000 Euro für angemessen.

Vorsicht vor übertriebenen Hoffnungen auf Schadensersatz!

Bei manchen, die wegen einer nicht bezahlten Rechnung schon einmal „Ärger mit der SCHUFA“ gehabt haben, kann dieses Urteil problematische Hoffnungen wecken. Der Fall weist nämlich einige Besonderheiten auf, die man auf keinen Fall übersehen sollte:

  • Die SCHUFA selbst war an diesem Verfahren gar nicht beteiligt. Gestritten wird vielmehr darum, ob ein Inkassounternehmen berechtigt war, eine Mitteilung an die SCHUFA zu machen.
  • Das ist ein erheblicher Unterschied. Wer der SCHUFA selbst irgendwelche Fehler vorwirft, muss sich auf ganz andere Gerichtsentscheidungen stützen.
  • Jedenfalls die „letzte Mahnung“ hätte ein klug beratenes Inkassounternehmen per Einwurfeinschreiben geschickt. Dann hätte es einen Beweis dafür gehabt, dass dieses Schreiben dem Kläger tatsächlich zugegangen ist.
  • Stattdessen musste sich das Inkassounternehmen vom Gericht sagen lassen, es hätte noch nicht einmal einen Beweis dafür angeboten, dass die Mahnungen zugegangen sind. Mit anderen Worten: Das Inkassounternehmen stand in dieser Hinsicht vor Gericht mit leeren Händen da.
  • Nicht besser erging es dem Unternehmen mit dem Mahnbescheid. Auch hier konnte es den Zugang nicht beweisen. Das ist schon ungewöhnliches Pech. Denn normalerweise gelingt dieser Beweis.
  • Das Inkassounternehmen hat die Mitteilung an die SCHUFA sofort veranlasst, ohne dass der Kläger den Vollstreckungsbescheid des Gerichts überhaupt kennen konnte. Dabei hätte es wissen müssen, dass unter Juristen zumindest sehr umstritten ist, ob das zulässig ist.
  • 5.000 Euro Schadensersatz für eine Rufschädigung sind ungewöhnlich hoch, wenn man das mit Entscheidungen anderer Gerichte vergleicht. Es ist völlig offen, ob andere Gerichte auch so viel gewähren würden.

Das Urteil des Landgerichts Mainz vom 12.11.2021 – 3 O 12/20 ist abrufbar unter https://openjur.de/u/2368426.html. Wir wissen nicht, ob es rechtskräftig geworden ist oder ob der Fall in die nächste Instanz geht.

Dr. Eugen Ehmann

Dr. Eugen Ehmann
Verfasst von
Dr. Eugen Ehmann
Dr. Eugen Ehmann
Dr. Eugen Ehmann ist ausgewiesener Fachmann auf dem Gebiet des Datenschutzes in Unternehmen & Behörden. Er ist Herausgeber eines renommierten DSGVO-Kommentars und Autor zahlreicher Beiträge in der Datenschutz PRAXIS sowie in vielen weiteren Datenschutz-Veröffentlichungen. Außerdem moderiert er seit 2003 die IDACON , den renommierten Datenschutz-Kongress.
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