Die europäische Kommission hat Großes vor. Europa soll Vorreiter einer digitalen Gesellschaft werden. Wie das gelingen soll, hat die Kommission im Rahmen ihrer europäischen Datenstrategie vorgestellt und das kommende Jahrzehnt „zur digitalen Dekade Europas“ erklärt.
Datenvermehrung statt Datenminimierung?
Es handelt sich dabei nicht nur um bloße Absichtserklärungen. Der EU-Gesetzgeber arbeitet schon seit Längerem an mehreren Verordnungen wie dem Data Act und dem Data Governance Act. Dabei geht es v.a. um eine Frage: Welche Vorschriften sind nötig, um den Datenfluss und die wirtschaftliche Verwertung von Daten in der EU zu regeln?
Das klingt wie ein Kurswechsel. Denn statt Datenminimierung heißt es nun Datenvermehrung. Grund genug, die neuen Vorschriften unter die Lupe zu nehmen und zu klären, wie das Verhältnis zum Datenschutz ist und womit Unternehmen rechnen müssen.
Die europäische Datenstrategie
Die Kommission will die Digitalisierung massiv vorantreiben. Nicht nur Unternehmen, sondern auch öffentliche Stellen sollen viel stärker Cloud-Services, Big Data und künstliche Intelligenz nutzen.
Bisher liegen die Daten in den Händen weniger Tech-Giganten. Das beeinträchtigt nicht nur den Wettbewerb, sondern hemmt Innovation. Außerdem bleiben die meisten Daten ungenutzt, aus „Datenschutzgründen“, wie es häufig heißt. Dabei ließe sich die Wertschöpfung durch Datenverknüpfung etwa im Bereich Mobilität, Gesundheit oder Umwelt erheblich steigern.
Doch wie lassen sich Daten wirtschaftlich nutzen, ohne gegen das Recht zu verstoßen? Die EU-Kommission hat gleich mehrere Entwürfe für Rechtsverordnungen zur Datennutzung vorgelegt. Zentraler Ausgangspunkt ist dabei die Idee, Daten innerhalb der EU zwischen mehreren Akteuren zu teilen, sodass jeder vom wirtschaftlichen Wert der Daten profitiert.
Dahinter steckt folgender Gedanke: Die EU will sich aus der Abhängigkeit von Technologieunternehmen lösen. Wie das im Einzelnen gelingen soll und welche Rolle der Datenschutz dabei spielt, zeigt ein Blick auf die einzelnen Verordnungen.
Der Data Governance Act
Der Data Governance Act (DGA) schafft zwei Instrumente, um Daten auszutauschen: die Datenmittler und den Datenaltruismus.
Datenintermediäre bzw. Datenmittler
Eine zentrale Rolle spielen die sogenannten „Datenintermediäre“, auch als Datenmittler bezeichnet. Ihre Aufgabe ist es, Daten von Einzelpersonen oder Unternehmen zu sammeln, zu verwalten und anschließend an Dritte weiterzuleiten. Dritte können anschließend die Daten für eigene Zwecke weiterverwenden.
Der Datenmittler muss eine neutrale Stelle sein, die die verwalteten Daten nicht für eigene Zwecke verarbeiten und auch kein wirtschaftliches Eigeninteresse an den Daten haben darf. Damit will die EU verhindern, dass Datenmonopolisten wie Google oder Meta (ehemals Facebook) ihre Marktmacht weiter ausbauen. Außerdem muss der Datenmittler einen umfangreichen Katalog an Anforderungen erfüllen. Dazu gehört u.a., dass der Datenmittler
- sich vor Aufnahme seiner Tätigkeit bei der zuständigen Behörde anzeigt,
- ein faires und transparentes Verfahren für den Datenzugang vorsieht und
- betrügerische oder missbräuchliche Praktiken verhindert.
Vor allem zum Schutz vor Cyberangriffen muss der Datenmittler technische, rechtliche und organisatorische Maßnahmen treffen. Verstößt der Datenmittler gegen diese Pflichten, kann die zuständige Behörde Geldstrafen verhängen oder behördliche Maßnahmen anordnen.
Die Idee eines Datenmittlers ist nicht neu. Denn auch das Telekommunikation-Telemedien-Datenschutz-Gesetz (TTDSG) enthält eine vergleichbare Regelung. Nach § 26 TTDSG können anerkannte Dienste zur Einwilligungsverwaltung, sogenannte Personal Information Management Services (PIMS), Einwilligungen der Nutzer einholen und verwalten.
Auch wenn die Regelung zu PIMS im TTDSG den Vorschriften zum Datenmittler im DGA ähneln, so verfolgen beide Instrumente unterschiedliche Ziele:
- PIMS sollen die Datenverarbeitung einschränken, indem sie die Daten nur an Dritte weiterleiten, wenn der Nutzer seine Einwilligung erteilt hat.
- Der Datenmittler nach dem DGA soll hingegen anderen Akteuren Zugang zu Daten verschaffen und die Datenverarbeitung ausweiten.