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24. Juli 2024

Auskunftsanspruch: Kein Einblick in die eigene Steuerakte?

Steuerakte
Bild: © gopixa/iStock/Getty Images Plus
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Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO
Ein Steuerzahler fühlt sich von seinem früheren Steuerberater schlecht beraten. Er will deshalb Schadensersatz von ihm. Um einen Schaden nachweisen zu können, verlangt er Einsicht in die Einkommensteuerakte. Das Finanzamt lässt ihn abblitzen. Wie passt das zum Auskunftsrecht nach Art. 15 DSGVO?

➧ Ausgangspunkt ist eine Steuererklärung

Ein Steuerberater hat für seinen Mandanten eine Einkommensteuererklärung für 2015 abgegeben. Das Finanzamt hat einen Einkommensteuerbescheid erlassen. Dieser Einkommensteuerbescheid ist bestandskräftig. Ein Einspruch oder eine Klage gegen ihn sind daher nicht mehr möglich.

➧ Der Steuerzahler will Schadensersatz und Akteneinsicht

Der Mandant meint, sein Steuerberater hätte ihn nur völlig ungenügend über den Ablauf des Steuerverfahrens informiert. Dadurch sei ihm ein Schaden entstanden. Deshalb überlegt er, von seinem Steuerberater Schadensersatz zu fordern.

Schadensersatz kann der Steuerzahler nur bekommen, wenn er einen Schaden nachweisen kann. Hierfür braucht er entsprechendes Beweismaterial. Solches Beweismaterial hofft er in der Einkommensteuerakte zu finden, die das Finanzamt über ihn führt. Deshalb beantragte er beim Finanzamt Einsicht in seine Einkommensteuerakte für das Jahr 2015.

➧ Das Finanzamt lässt ihn abblitzen

Diesen Antrag lehnte das Finanzamt ab. Es ist der Auffassung, dass dem Steuerzahler ein solcher Anspruch generell nicht zusteht:

  • Maßgeblich dafür, ob ein Recht auf Akteneinsicht besteht, sind die Regelungen der Abgabenordnung (AO).
  • Dort ist ein solches Einsichtsrecht schlicht nicht vorgesehen.
  • In diesem Punkt unterscheidet sich die Abgabenordnung von anderen gesetzlichen Vorschriften über Verwaltungsverfahren, die ein solches Einsichtsrecht durchaus kennen.
  • Ein Beispiel hierfür bildet vor allem § 29 des Verwaltungsverfahrensgesetzes, der zum Beispiel für Verwaltungsverfahren von Städten und Gemeinden gilt.
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➧ Denkbar wäre ein Anspruch aus dem Grundgesetz

Zwar kann im Einzelfall unmittelbar aus dem Grundgesetz (GG) ein Anspruch auf Akteneinsicht abzuleiten sein. Grundlage hierfür ist das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) in Verbindung mit dem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG). Ein solcher Anspruch setzt aber voraus, dass es um ein behördliches Verfahren geht, das gerade im Laufen ist. Denn nur dann kann der effektive Rechtsschutz berührt sein.

➧ Hier scheidet das aber aus

Im vorliegenden Fall ist der Einkommensteuerbescheid für 2015 bereits bestandskräftig. Damit ist das Einkommensteuerverfahren für dieses Jahr abgeschlossen. Deshalb kann die gewünschte Akteneinsicht nicht mehr dem effektiven Rechtsschutz im Rahmen dieses Verfahrens dienen. Daran scheitert ein solcher Anspruch im konkreten Fall.

➧ Der Bundesfinanzhof akzeptiert diese Sichtweise

Der Steuerzahler war mit der Rechtsauffassung des Finanzamts nicht einverstanden. Er wandte sich an das zuständige Finanzgericht. Das Finanzgericht war der Auffassung, dass der Steuerzahler sehr wohl einen Anspruch auf Akteneinsicht habe. Dies half dem Steuerzahler jedoch nichts. Denn das Finanzamt legte Revision zum Bundesfinanzhof ein. Und der Bundesfinanzhof als höchstes deutsches Steuergericht lehnte einen Anspruch auf Akteneinsicht ab.

➧ Schadensersatzansprüche sind Privatsache

Besonders unterstreicht der Bundesfinanzhof dabei, dass es nicht Sache des Finanzamts sei, den Steuerpflichtigen bei der Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen gegen seinen Steuerberater zu unterstützen. Dabei gehe es um eine „Verfolgung steuerverfahrensfremder Zwecke“, mit denen das Finanzamt nichts zu schaffen habe. Deshalb könne die Absicht, Schadensersatzansprüche durchzusetzen, kein Recht auf Akteneinsicht begründen. Eine Akteneinsicht sei nur dazu da, sich als Steuerzahler angemessen mit dem Finanzamt auseinandersetzen zu können.

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➧ Art. 15 DSGVO hilft dem Steuerzahler weiter

Das Blatt wendet sich zugunsten des Steuerzahlers, als der Bundesfinanzhof auf den Auskunftsanspruch nach Art. 15 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) eingeht. Diese Vorschrift legt Folgendes fest: Wer personenbezogene Daten verarbeitet, muss der Person, die diese Daten betreffen, Auskunft über die Daten geben. Dass die Voraussetzungen dieser Regelung erfüllt sind, liegt aus der Sicht des Bundesfinanzhofs auf der Hand. Denn schließlich verarbeitet ein Finanzamt bei der Erstellung eines Einkommensteuerbescheids eine Fülle personenbezogener Daten.

➧ Das Steuergeheimnis spielt keine Rolle

Das Steuergeheimnis ist nicht berührt, wenn ein Finanzamt einem Steuerzahler Auskunft über personenbezogene Daten gibt, die ihn selbst betreffen. Die eigenen Daten eines Steuerzahlers sind gegenüber ihm nicht durch das Steuergeheimnis geschützt. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerzahler diese Daten deshalb nicht kennt, weil sie ein Steuerberater für ihn das Finanzamt übermittelt hat. Dieser „Umweg“ ändert nichts daran, dass diese Daten eigene Daten des Steuerzahlers bleiben.

➧ Der Auskunftsanspruch hat zwar einige Grenzen

Auf den ersten Blick wirkt es so, als könnte der Steuerzahler über den Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO im Ergebnis doch ein Recht auf Einsicht in seine Steuerakte durchsetzen. So einfach liegen die Dinge allerdings nicht. Der Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO und ein Anspruch auf Akteneinsicht sind inhaltlich nicht identisch:

  • Ein Anspruch auf Akteneinsicht würde bedeuten, dass der Steuerzahler die vollständige Akte des Finanzamts durchsehen darf – so, wie diese Akte beim Finanzamt vorliegt.
  • Der Auskunftsanspruch bezieht sich dagegen lediglich auf die personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind.
  • Deshalb genügt es, wenn das Finanzamt dem Steuerzahler genau diese personenbezogenen Daten zur Verfügung stellt.
  • Sollte die Steuerakte darüber hinaus weitere Daten enthalten, werden diese vom Auskunftsanspruch nicht erfasst.
  • Im Ergebnis bedeutet dies: Das Finanzamt könnte die Steuerakte zunächst von solchen weiteren Daten „bereinigen“, bevor es Auskunft erteilt. Das könnte etwa interne Anweisungen betreffen, die mit der Person des konkreten Steuerzahlers nichts zu tun haben.

➧ Eine vollständige Kopie spart jedoch viel Arbeit

Ob das Finanzamt tatsächlich auf solche Ideen kommt, darf man jedoch gerade im vorliegenden Fall bezweifeln. Im Urteil ist erwähnt, dass das Finanzamt die gesamte Akte noch in Papierform geführt hat. Deshalb würde eine „Bereinigung“ voraussichtlich so viel Arbeit machen, dass sie sich schlicht nicht lohnt. Zu vermuten ist deshalb, dass das Finanzamt dem Steuerzahler schlicht eine Kopie der Akte zur Verfügung stellen wird, um den Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO zu erfüllen.

➧ So finden Sie das Urteil des Bundesfinanzhofs

Das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 7. Mai 2024 trägt das Aktenzeichen IX R 21/22. bei Eingabe des Aktenzeichens im Internet ist es problemlos zu finden.

 

Dr. Eugen Ehmann ist Moderator beim Datenschutzkongress IDACON, der vom 5. bis 7. November 2024 stattfindet.

Dr. Eugen Ehmann

Dr. Eugen Ehmann
Verfasst von
Dr. Eugen Ehmann
Dr. Eugen Ehmann
Dr. Eugen Ehmann ist ausgewiesener Fachmann auf dem Gebiet des Datenschutzes in Unternehmen & Behörden. Er ist Herausgeber eines renommierten DSGVO-Kommentars und Autor zahlreicher Beiträge in der Datenschutz PRAXIS sowie in vielen weiteren Datenschutz-Veröffentlichungen. Außerdem moderiert er seit 2003 die IDACON , den renommierten Datenschutz-Kongress.
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