Sie verwenden einen veralteten Browser. Um im Internet auch weiterhin sicher unterwegs zu sein, empfehlen wir ein Update.

Nutzen Sie z.B. eine aktuelle Version von Edge, Chrome oder Firefox

06. August 2024

DSGVO-Abmahnwelle: Bärendienst für den Datenschutz

Datenschutz
Bild: ©_NicoElNino/iStock/Getty Images Plus
4,80 (5)
Inhalte in diesem Beitrag
Schadensersatzforderungen
Mit „DSGVO-Abmahnwelle“ ist gemeint, dass jemand Datenschutz-Verstöße nur zu dem Zweck provoziert, um an ihnen zu verdienen. Vieles spricht dafür, dass es aktuell rund um das Thema „Schadensersatz wegen Verletzung des Auskunftsanspruchs“ missbräuchliche Abmahnungen gibt.

➧ Ein Verantwortlicher verletzt die Auskunftspflicht

Der Kläger bezog einen Newsletter und forderte am 3.4.2023 Auskunft über seine personenbezogenen Daten, die der Anbieter des Newsletters speichert (Art. 15 DSGVO). Eine solche Auskunft ist im Normalfall innerhalb eines Monats zu erteilen, nachdem der Antrag auf Auskunft eingegangen ist (Art. 12 Abs. 3 Satz 1 DSGVO). Dennoch ließ sich der Anbieter des Newsletters mit der Auskunft über sechs Monate Zeit. Er erteilte die Auskunft erst, nachdem der Kläger schließlich am 19.10.2023 bei Gericht auf Auskunft geklagt hatte.

➧ Dem Kläger ging es sehr rasch um Schadensersatz

Schon viel früher hatte der Kläger jedoch einen Rechtsanwalt beauftragt. Dieser Rechtsanwalt forderte vom Newsletter-Anbieter sofort nach Ablauf der Auskunftsfrist von einem Monat mit Schreiben vom 3.5.2023 Schadensersatz in Höhe von 1000 € wegen Verletzung der Auskunftspflicht. Außerdem verlangte der Rechtsanwalt die Erstattung von „vorgerichtlichen Anwaltskosten“ in Höhe von 719,59 €. Dass der Newsletter-Anbieter die Auskunft unter dem Druck der Klage schließlich doch erteilt hat, schafft die Verletzung der Auskunftspflicht aus der Sicht des Klägers nicht mehr aus der Welt.

➧ Der Kläger schildert seinen Schaden recht blumig

Zu der zentralen Frage, ob dem Kläger wirklich ein Schaden entstanden ist, heißt es im Urteil des Gerichts wörtlich: „Der Kläger bringt vor, er sei eine datenschutzsensible Person und die Nichterfüllung des Auskunftsanspruchs verursache bei ihm Sorgen und Ängste. Die Ungewissheit und der Kontrollverlust über seine Daten verursachten ihm Stress.“ Der Newsletter-Anbieter konnte über diese Schilderung aus seiner Sicht nur lachen. Er hatte nämlich auffällige Verhaltensweisen des Klägers aufgedeckt.

➧ Der Kläger meldet sich ständig zu Newslettern an

Recherchen der Rechtsanwältin des Klägers haben ergeben, dass sich der Kläger im Zeitraum von Ende 2022 bis Oktober 2023 bei 66 Newslettern angemeldet hat. Jedes Mal hat er anschließend Auskunft verlangt und eine Verletzung seines Auskunftsrechts beanstandet. Insgesamt hat er deshalb 159.500 € Schadensersatz gefordert.

Datenschutz-Management kompakt online

Datenschutz-Management kompakt ist die umfassende Lösung für die effiziente und rechtssichere Umsetzung der gesetzlichen Datenschutz-Vorgaben.

Profitieren Sie von den Erläuterungen und Umsetzungstipps zahlreicher erfahrener Datenschutzbeauftragter und Fachanwälten zum Datenschutzrecht.

 

➧ Der Kläger scheint an fast allem interessiert

Die 66 Newsletter, von denen eben die Rede war, behandeln so unterschiedliche Themenbereiche wie Bio-Mode speziell für Piloten, Bitcoins, Bodenbeläge, Deko-Produkte, Fotoprodukte für Kinder, Küchengeräte, Kosmetik, Tapeten, Verkauf von Fischen und Weinbau. Besonders hebt das Urteil hervor, dass sich der Kläger auch für den Newsletter eines dörflichen Fußballvereins angemeldet hat, der sich dem Breitensport widmet. Das Dorf liegt 500 km weit vom Wohnort des Klägers entfernt.

➧ Sein Vorgehen ist auffällig identisch

In allen geschilderten Fällen beantragte der Kläger bereits kurz nach seiner Anmeldung zum Newsletter Auskunft nach Art. 15 DSGVO. Wenn die Newsletter-Anbieter darauf nicht reagierten, forderte der Kläger jeweils sofort nach Ablauf der Frist von einem Monat Schadensersatz wegen Verletzung der Auskunftspflicht.

➧ Das Gericht moniert Widersprüche im Verhalten

Das Gericht spießt das Verhalten des Klägers mit einer fast schon ironisch formulierten Frage auf: „Warum meldet sich der nach eigenem Vortrag sehr datenschutzsensible Kläger, der bei nicht ordnungsgemäßer Erfüllung seines Auskunftsverlangens Angst, Sorgen und emotionales Ungemach empfindet, immer wieder auf Newslettern an, obwohl er doch weiß, dass zum Teil seinem Auskunftsverlangen nicht ordnungsgemäß nachgekommen wird?“

➧ „Rechtsmissbrauch“ lautet das Verdikt

Aus Sicht des Gerichts ergibt dieses Verhalten nur dann Sinn, wenn es dem Kläger darauf ankommt, Geld zu verdienen und er hierfür Angst, Sorgen und emotionales Ungemach in Kauf nimmt. Anders läge es nur, wenn der Kläger Masochist wäre, wovon das Gericht jedoch nicht ausgehen möchte. Daraus zieht das Gericht eine klare Schlussfolgerung: „Einziges Motiv des Klägers war, sich einer Einnahmequelle zu schaffen. Dies ist rechtsmissbräuchlich.“

➧ Deshalb weist das Gericht die Klage ab

Aus dem Vorwurf des Rechtsmissbrauchs zieht das Gericht die logische Konsequenz und weist die Klage ab. Daraus ergibt sich als weitere Folge: „Der Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu tragen“. Anstatt also Schadensersatz und Ersatz seiner eigenen Anwaltskosten zu erhalten, muss der Kläger jetzt auch noch die Rechtsanwaltskosten des Newsletter-Anbieters tragen.

➧ Eine Aufsichtsbeschwerde gab es auch noch

Selbstverständlich hatte der Kläger seinen Rechtsanwalt auch beauftragt, den Sachverhalt der zuständigen Datenschutz-Aufsichtsbehörde anzuzeigen. Was aus dieser Anzeige geworden ist, lässt sich dem Urteil nicht entnehmen. Keinen Erfolg hatte der Kläger jedenfalls mit dem Versuch, den Newsletter-Anbieter auch noch zur Erstattung der dabei entstandenen Anwaltskosten in Höhe von 377,23 € verurteilen zu lassen. Auch dies lehnte das Gericht mit dem Argument des Rechtsmissbrauchs rundheraus ab.

➧ Abmahnwellen schaden dem Datenschutz extrem

Wer bei kleinen Unternehmen oder in Vereinen das Thema Datenschutz anspricht, erlebt als Reaktion oft verdrehte Augen und dergleichen. Aktivitäten, wie sie der Kläger an den Tag gelegt hat, werden bei Nachfragen immer wieder als Begründung genannt. Denn der Kläger ist leider nicht der Einzige, der sich so betätigt. Unter diesem Aspekt kann man das Urteil des Gerichts nur begrüßen.

➧ Viele zahlen zähneknirschend doch

Dabei ist auch zu bedenken, dass vermutlich viele der vom Kläger angegangenen Newsletter-Anbieter gezahlt haben, weil ihnen das Prozessrisiko zu hoch erschien. Seit das vorliegende Urteil öffentlich bekannt ist, dürfte sich das Geschäftsmodell des Klägers jedoch erledigt haben.

➧ Zur Selbstzufriedenheit besteht aber kein Anlass

Gleichwohl gilt: Hätten sich die Newsletter-Anbieter jeweils an die DSGVO gehalten und einfach ordnungsgemäß Auskunft erteilt, wäre die Strategie des Klägers von vornherein nie aufgegangen. Wer einen Newsletter anbietet, weiß genau, dass dabei personenbezogene Daten im Spiel sind. Und dann muss er sich eben auch über die damit verbundenen Pflichten informieren. Jedenfalls die nötigen Basisinformationen erhält er im Regelfall sogar kostenlos, als Verein etwa bei seinem Dachverband.

➧ Hier ist das Urteil zu finden

Das Urteil des Amtsgerichts Augsburg vom 6. Juni 2024 mit dem Aktenzeichen 18 C 3234/23 steht bisher nur auf der Seite der Rechtsanwältin zur Verfügung, die den Newsletter-Anbieter vor Gericht vertreten hat: 2024_06_27_AG_Augsburg_Urteil_Größbauer.pdf (ra-himburg-berlin.de). Der Name des Klägers ist dort (und auch auf vielen anderen Internetseiten von Rechtsanwaltskanzleien) öffentlich zugänglich. Ob das Urteil des Amtsgerichts bereits rechtskräftig ist, war nicht festzustellen.

Dr. Eugen Ehmann

Dr. Eugen Ehmann
Verfasst von
Dr. Eugen Ehmann
Dr. Eugen Ehmann
Dr. Eugen Ehmann ist ausgewiesener Fachmann auf dem Gebiet des Datenschutzes in Unternehmen & Behörden. Er ist Herausgeber eines renommierten DSGVO-Kommentars und Autor zahlreicher Beiträge in der Datenschutz PRAXIS sowie in vielen weiteren Datenschutz-Veröffentlichungen. Außerdem moderiert er seit 2003 die IDACON , den renommierten Datenschutz-Kongress.
0 Kommentare
Vielen Dank! Ihr Kommentar muss noch redaktionell geprüft werden, bevor wir ihn veröffentlichen können.