➧ Sprengstoff ist immer etwas Heikles
Umgang mit Sprengstoff ist nicht jedermanns Sache. Für manche Menschen ist das aber der wesentliche Inhalt ihres Berufs. Verständlich, dass solche Personen für sich ein gewisses Risiko sehen, Opfer von Verbrechern zu werden. Denn für manche Kriminelle ist Sprengstoff eine hochinteressante Sache. Nur zu gern würden sie ihn in die Hände bekommen. Das wäre ihnen allemal ein Raub oder eine Entführung wert.
➧ Ein Geschäftsführer fühlt sich gefährdet
So argumentierte der Geschäftsführer einer GmbH, der von Berufs wegen mit Sprengstoff umgehen muss. Er sieht für sich persönlich das Risiko, Zielscheibe von Kriminellen zu werden. Dennoch trug das zuständige Registergericht seinen Namen, sein Geburtsdatum und den bei der Anmeldung zum Handelsregister angegebenen Wohnort in das Handelsregister ein. Damit waren diese Daten allgemein öffentlich verfügbar. Der Geschäftsführer fordert, dass sein Geburtsdatum und sein Wohnort aus dem Handelsregister entfernt werden. Dies sei zu seinem persönlichen Schutz notwendig.
➧ Das Registergericht bleibt aber unbeeindruckt
Der Geschäftsführer meinte, für seine Argumentation einen regelrechten Joker in der Hand zu haben. Denn das zuständige Einwohnermeldeamt hatte für ihn längst eine Auskunftssperre wegen Gefährdung eingetragen, die Auskünfte aus dem Melderegister abblocken kann. Dies ist im Bundesmeldegesetz (BMG) für den Fall vorgesehen, dass durch eine Melderegisterauskunft eine Gefahr für Leben, Gesundheit, persönliche Freiheit oder ähnliche schutzwürdige Interessen eines Einwohners entstehen kann (§ 51 BMG). Doch auch dies beeindruckte das Registergericht nicht. Es blieb dabei, dass der Handelsregistereintrag das Geburtsdatum und den Wohnort des GmbH-Geschäftsführers enthalten muss.
➧ Die DSGVO ist eindeutig anwendbar
Dass die DSGVO im vorliegenden Fall vom Prinzip her anwendbar ist, liegt für den BGH auf der Hand. Denn bei Geburtsdatum und Wohnort des Geschäftsführers handelt es sich um personenbezogene Daten. Diese Daten verarbeitet das Registergericht. Eine Verarbeitung erfolgt dabei bereits durch die Eintragung und Speicherung dieser Daten im Handelsregister. Hinzu kommt, dass die Einsichtnahme in das Handelsregister durch Interessenten ohne Einschränkungen gestattet ist (siehe §§ 9, 10 Absatz 2 Handelsgesetzbuch). Auch darin liegt eine Verarbeitung dieser Daten durch das Registergericht.
➧ Der BGH sieht aber keinen Anspruch auf Löschung der Daten
Art. 17 DSGVO gibt betroffenen Personen unter bestimmten Voraussetzungen das Recht, die Löschung von personenbezogenen Daten zu verlangen. Allerdings schließt die DSGVO einen solchen Anspruch für bestimmte Fallkonstellationen generell aus. Hier setzt der BGH an. Ein Löschungsanspruch besteht nämlich nicht, wenn die Verarbeitung der Daten erforderlich ist, um eine rechtliche Verpflichtung zu erfüllen, die sich aus dem Recht des jeweiligen Mitgliedstaats ergibt (Art. 17 Abs. 3 Buchstabe b DSGVO). Den Voraussetzungen dieser Ausnahme widmet sich der BGH bis ins Detail.
➧ Das Geburtsdatum im Handelsregister ist so vorgesehen
Da Art. 17 Abs. 3 Buchstabe b DSGVO auf das nationale Recht des jeweiligen Mitgliedstaates verweist, schildert der BGH zunächst die Vorgaben des deutschen Rechts für das Geburtsdatum. Hier tut er sich relativ leicht. Denn es besteht die gesetzliche Pflicht, eine GmbH zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden (§ 7 Abs.1 GmbH-Gesetz). Dabei ist ausdrücklich auch das Geburtsdatum des Geschäftsführers anzugeben (§ 24 Abs:1 Handelsregisterverordnung). Damit ist eine entsprechende Vorgabe des deutschen nationalen Rechts gegeben.
➧ Deutlich schwieriger wird es beim Wohnort
Eine entsprechende ausdrückliche Regelung für die Angabe des Wohnorts gibt es nicht. Nach Auffassung des BGH ist es jedoch gewohnheitsrechtlich verankert, dass der Wohnort des Geschäftsführers aus dem Handelsregister zu ersehen sein muss. Dabei betont er, dass Gewohnheitsrecht als Rechtsquelle gleichwertig neben dem Gesetzesrecht steht. Dabei beruft er sich auf eine entsprechende Praxis der Registergerichte jedenfalls seit dem Jahr 1898. Sie ist damit älter als das BGB, das am 1.1.1900 in Kraft getreten ist. Seither sei nie bestritten worden, dass der Wohnort des Geschäftsführers anzugeben ist. Dies werde seither ständig so gehandhabt und allgemein als verbindlich anerkannt. Kritische Stimmen hierzu in Rechtsprechung oder Literatur konnte der BGH nicht feststellen.
➧ Die DSGVO spricht von „Recht“, nicht von „Gesetz“
Dass sich der BGH auf eine gewohnheitsrechtlich Handhabung beruft, wird manche Datenschützer irritieren. Denn sie sind es gewohnt, dass für die Verarbeitung von personenbezogenen Daten ausdrückliche Normen in Gesetzen vorhanden sind, allenfalls noch in Verordnungen, die auf der Basis von Gesetzen erlassen wurden. Dem BGH ist jedoch zuzugeben, dass Art. 17 Abs. 3 Buchstabe b DSGVO nicht etwa von rechtlichen Verpflichtungen spricht, die sich aus gesetzlichen Vorgaben der Mitgliedstaaten ergeben. Vielmehr verwendet die DSGVO dort die Formulierung „Recht … der Mitgliedstaaten“. Damit ist jedenfalls vom Ansatz her auch Raum für die Berücksichtigung von Gewohnheitsrecht.
➧ Die Angaben dienen einem legitimen Zweck
Die bisher dargestellte Argumentation des BGH wird dadurch gestützt, dass die Angabe von Geburtsdatum und Wohnort eines GmbH-Geschäftsführers einem öffentlichen Interesse dient. Auf diesen Aspekt stellt die DSGVO für die Rechtmäßigkeit einer Verarbeitung selbst ausdrücklich ab (siehe Art. 6 Abs. 3 Sätze 2 und 4 DSGVO). Der Rechtsverkehr hat ein schützenswertes Interesse daran, sich aus dem Handelsregister zuverlässig über Name, Geburtsdatum und Wohnort eines GmbH-Geschäftsführers informieren zu können. Denn der Geschäftsführer ist derjenige, der zur Vertretung der GmbH nach außen berechtigt ist. Deshalb sind Grundinformationen über ihn notwendig.