Das Volkszählungsurteil – Was steht drin?
Das Volkszählungsurteil hat das informationelle Selbstbestimmungsrecht entwickelt. Auch wenn das Urteil in erster Linie den Datenumgang durch staatliche Behörden betrifft, sind in der Entscheidung doch viele Grundsätze aufgestellt, die auch den Datenumgang durch private Unternehmen regeln.
5 Leitsätze
In den folgenden fünf Leitsätzen hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Volkszählungsurteil den Schutz beim Umgang mit Daten beschrieben:
Schutz gegen unbegrenzten Datenumgang
- Unter den Bedingungen der modernen Datenverarbeitung wird der Schutz des Einzelnen gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten von dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG umfasst. Das Grundrecht gewährleistet insoweit die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen.
Einschränkung nur durch Gesetze
- Einschränkungen dieses Rechts auf „informationelle Selbstbestimmung“ sind nur im überwiegenden Allgemeininteresse zulässig. Sie bedürfen einer verfassungsgemäßen gesetzlichen Grundlage, die dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entsprechen muss. Bei seinen Regelungen hat der Gesetzgeber ferner den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Auch hat er organisatorische und verfahrensrechtliche Vorkehrungen zu treffen, welche der Gefahr einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts entgegenwirken.
Umgang mit anonymisierten Daten
- Bei den verfassungsrechtlichen Anforderungen an derartige Einschränkungen ist zu unterscheiden zwischen personenbezogenen Daten, die in individualisierter, nicht anonymer Form erhoben und verarbeitet werden, und solchen, die für statistische Zwecke bestimmt sind. Bei der Datenerhebung für statistische Zwecke kann eine enge und konkrete Zweckbindung der Daten nicht verlangt werden. Der Informationserhebung und Informationsverarbeitung müssen aber innerhalb des Informationssystems zum Ausgleich entsprechende Schranken gegenüberstehen.
Menschenwürde und Datenschutz bei Verfahren
- Das Erhebungsprogramm des Volkszählungsgesetzes 1983 (§ 2 Nr. 1 bis 7, §§ 3 bis 5) führt nicht zu einer mit der Würde des Menschen unvereinbaren Registrierung und Katalogisierung der Persönlichkeit; es entspricht auch den Geboten der Normenklarheit und der Verhältnismäßigkeit. Indessen bedarf es zur Sicherung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung ergänzender verfahrensrechtlicher Vorkehrungen für Durchführung und Organisation der Datenerhebung.
Schutz vor Datenübermittlung
- Die in § 9 Abs. 1 bis 3 VoZählG 1983 vorgesehenen Übermittlungsregelungen (u.a. Melderegisterabgleich) verstoßen gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Die Weitergabe zu wissenschaftlichen Zwecken (§ 9 Abs. 4 VoZählG 1983) ist mit dem Grundgesetz vereinbar.