Bußgelder waren lange das Thema Nummer eins. Doch bisher gab es in Deutschland nur wenige Verfahren, in denen es um Bußgelder in Millionenhöhe ging. Ganz anders verhält es sich bei den Schadenersatz-Ansprüchen nach Art. 82 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO).
Die DSGVO regelt nicht nur die klassischen Betroffenenrechte wie Recht auf Auskunft, Löschung oder Widerspruch. Die betroffene Person hat darüber hinaus unterschiedliche Möglichkeiten, diese Rechte geltend zu machen oder sich gegen DSGVO-Verstöße durch den Verantwortlichen zu wehren.
Schadenersatz nach Art. 82 DSGVO
Dazu gehört zum einen das Beschwerderecht bei den Datenschutzaufsichtsbehörden. Zum anderen regelt die DSGVO, dass jeder einen Anspruch auf Schadenersatz gegen den Verantwortlichen oder den Auftragsverarbeiter hat, wenn ihm durch die Verarbeitung ein Schaden entstanden ist. Jede Person hat einen Schadenersatzanspruch
- bei einem Verstoß gegen die DSGVO,
- wenn sie einen Schaden erlitten hat,
- dieser Schaden auf dem Verstoß beruht und
- der Verantwortliche oder Auftragsverarbeiter schuldhaft gehandelt hat.
Fehlt es auch nur an einer dieser Voraussetzungen, besteht kein Schadenersatzanspruch, und die betroffene Person geht leer aus. Was hat es aber mit diesen vier Punkten genau auf sich?
1. Verstoß gegen die DSGVO
Für einen Verstoß nach Art. 82 DSGVO genügt jede Verletzung datenschutzrechtlicher Vorschriften. Es muss sich nicht um eine Vorschrift handeln, die gezielt der betroffenen Person dient. Zu den Verstößen zählen demnach nicht nur die verspätete Auskunft, sondern auch fehlende Datenschutzerklärungen oder ein Verstoß gegen die rechtmäßige Verarbeitung gemäß Art. 6 DSGVO.
Umfasst sind auch formelle Verstöße des Verantwortlichen, etwa wenn
- er keinen Datenschutzbeauftragten bzw. keine Datenschutzbeauftragte bestellt hat, obwohl er dazu verpflichtet ist,
- er das Verzeichnis der Verarbeitungstätigkeiten nicht oder fehlerhaft führt oder
- kein Vertrag zur Auftragsverarbeitung gemäß Art. 28 DSGVO vorliegt.
Ob es sich um einen geringfügigen oder um einen gravierenden Verstoß gegen die DSGVO handelt, spielt keine Rolle.
2. Schaden
Weiterhin muss die Person aufgrund dieses Verstoßes einen Schaden erlitten haben. Ein Schaden kann materieller oder immaterieller Art sein. Unter materielle Schäden fallen wirtschaftliche Nachteile wie Kreditkartenbetrug oder Identitätsdiebstahl.
Denkbar sind auch körperliche Schäden, beispielsweise wenn ein Krankenhaus Angriffsziel einer Cyberattacke wird, es medizinische Geräte dadurch nicht mehr nutzen und deswegen Patienten nicht behandeln kann.
Weitaus häufiger haben sich die deutschen Gerichte bisher mit dem immateriellen Schaden befasst. Unter immaterielle Schäden fallen beispielsweise Diskriminierung, Rufschädigung oder der Verlust von Rechten. Typische Beispiele sind
- die unbefugte Veröffentlichung von Fotos oder schützenswerten Informationen im Internet,
- unbefugte Übermittlung von Gesundheitsdaten an Dritte,
- Weiterleitung von privaten Nachrichten oder
- verspätete Beantwortung eines Auskunftsersuchens.
An dieser Stelle wird es besonders brisant: Bisher waren die deutschen Gerichte äußerst zurückhaltend, wenn es um immaterielle Schäden ging. Sie waren der Meinung, dass unbedeutende oder nur geringfügige Schäden nicht zu ersetzen sind. Schadenersatz gab es nur bei erheblichen und spürbaren Nachteilen.
Seit einiger Zeit zeigt sich jedoch eine Trendumkehr. Einige Gerichte sind der Meinung, dass es beim Schadenersatz keine Bagatellgrenze gibt. Das heißt, dass jeder Schaden zu ersetzen ist. Daher wird es äußerst spannend, was der EuGH dazu sagen wird.