➧ Wie wurde Office 365 eingesetzt?
Ein Geschäftsführer hatte zwei Assistentinnen, Assistentin 1 und Assistentin 2. Das ganze Unternehmen nutzte Microsoft Office 365. Jede Assistentin verfügte in Microsoft Outlook über ein eigenes Konto mit eigenem Passwort und einer persönlichen Mailadresse. Außerdem hatten beide jeweils Zugriff auf die MS Office-Kalenderfunktion und auf MS Teams.
➧ Wer hatte welche Berechtigungen für Mails?
Außer auf ihre eigenen Mailkonten konnten die Assistentinnen auch auf die Mailkonten der Geschäftsführung und auf die Mailkonten ihrer Vorgängerinnen zugreifen. Im Unternehmen war es schon immer üblich, dass die Assistentinnen im Namen des Geschäftsführers mit Kunden kommunizieren. Deshalb gab es in den Mailkonten der Vorgängerinnen umfangreiche Korrespondenz mit Kunden. Dazu gehörten Angebote und Verträge. Solche elektronische Post sammelte sich auch in den Mailkonten der derzeit aktiven Assistentinnen an.
➧ Warum wurde es schließlich peinlich?
Am 18. Juni 2020 vereinbarten der Geschäftsführer und Assistentin 2 die Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Am Tag darauf, also am 19. Juni 2020, öffnete der Geschäftsführer das Mailpostfach von Assistentin 2, um sich über die dort vorhandenen Mails zu orientieren. Dabei stieß er auf Mails von Assistentin 1 an Assistentin 2. Der Inhalt dieser Mails war deutlich. Assistentin 1 hatte ihrer Kollegin geschrieben, das Unternehmen sei „ein Idiotenhaufen“. Alle seien unfähig und es sei „zum Durchdrehen“. Deshalb werde sie „net viel machen“ und schreibe gerade Bewerbungen.
➧ Wie ging es mit dem Arbeitsverhältnis weiter?
Auf den Erfolg dieser Bewerbungen bei anderen Unternehmen wollte der Geschäftsführer nicht warten. Mit Mail noch vom selben Tag teilte er Assistentin 1 mit, dass ihr Arbeitsverhältnis beendet sei. Dabei ging er im Einzelnen auf die Äußerungen von Assistentin 1 sein, die er im Mailkonto von Assistentin 2 vorgefunden hatte. Die Frau des Geschäftsführers arbeitete ebenfalls im Unternehmen. Sie war dort mit Personalangelegenheiten befasst. Ihr übermittelte er eine Kopie der Kündigungsmail. Mit anderen Personen tauschte er sich zu dem, was vorgefallen war, nicht aus.
➧ Wie gingen die Assistentinnen mit der Situation um?
Mit der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses durch Kündigung hatte Assistentin 1 offensichtlich kein Problem. Für Assistentin 2 war das Arbeitsverhältnis ohnehin Geschichte, weil es ja durch Aufhebung geendet hatte.
Beide empfanden es jedoch als sehr peinlich, dass der Geschäftsführer Mails gelesen hatte, die sie als rein privat ansahen. Dadurch fühlten sie sich bloßgestellt und verletzt. Deshalb fordert jede der beiden 1000 € Schadensersatz.