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10. Dezember 2024

Detektiv-Überwachung von Beschäftigten

Ein Detektiv schaut durch eine Lupe
Bild: kuppa_rock/iStock/Getty Images Plus
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Inhalte in diesem Beitrag
DSGVO-Schadensersatz
Zwischen einem Vertriebsmitarbeiter und seinem Arbeitgeber besteht ein gespanntes Verhältnis. Mehrere Kündigungsversuche des Arbeitgebers bleiben erfolglos. Als sich der Vertriebler krank meldet, traut der Arbeitgeber der Sache nicht. Er beauftragt einen Detektiv. Am Ende muss der Arbeitgeber wegen der Überwachung Schadensersatz zahlen.

➧ Das Arbeitsverhältnis ist spannungsgeladen

Der Kläger, ein Vertriebsmitarbeiter, war seit 2009 im Außendienst tätig. Soweit er nicht berufsbedingt unterwegs war, arbeitete er im Home-Office. Sein Arbeitgeber wollte ihn sichtlich loswerden:

  • 2017 gab es eine ordentliche Kündigung. Die hiergegen erhobene Kündigungsschutzklage hatte jedoch Erfolg.
  • Zum 28.2.2021 erfolgte eine betriebsbedingte Kündigung. Auch die dagegen erhobene Kündigungsschutzklage war erfolgreich.
  • Zum 30.11.2021 erklärte der Arbeitgeber eine Änderungskündigung. Er bot dem Kläger an, das Arbeitsverhältnis ab dem 1. 12.2021 mehrere 100 km entfernt in Süddeutschland fortzusetzen. Für den erforderlichen Umzug bot er finanzielle Unterstützung an. Die Änderungsschutzklage des Klägers hatte keinen Erfolg.

➧ Es gibt Differenzen über die Tätigkeiten

Wegen einer Erkrankung nahm der Kläger die neue Tätigkeit erst am 10.1.2022 auf. Unmittelbar danach kam es erneut zu Differenzen. Aus der Sicht des Klägers waren die ihm übertragenen Tätigkeiten minderwertig. Deshalb erhob er mit Schreiben vom 4.2.2022 Klage auf vertragsgemäße Beschäftigung.

➧ Bald folgt eine Krankmeldung

Am 4.2.2022 teilte der Kläger seinem Arbeitgeber um 14:30 Uhr per Mail seine Arbeitsunfähigkeit mit. Er habe an diesem Tag außerhalb der Arbeitszeit eine Verletzung erlitten. Eine AU-Bescheinigung vom selben Tag, ausgestellt von einer Fachärztin, bescheinigte ihm Arbeitsunfähigkeit bis zum 18.2.2022. Eine Folgebescheinigung vom 17.2.2022 attestierte dem Kläger fortdauernde Arbeitsunfähigkeit bis zum 4.3.2022.

➧ Der Arbeitgeber lässt den Kläger observieren

Der Arbeitgeber hatte den Verdacht, dass der Kläger seine Arbeitsunfähigkeit möglicherweise vortäuscht. Deshalb ließ er ihn in der Zeit vom 25.2.2022 bis 4.3.2022 durch eine Detektei stichprobenartig überwachen. Dabei suchten Mitarbeiter der Detektei auch die Hausarztpraxis des Klägers und das Wohnhaus seiner ehemaligen Lebensgefährtin auf. Der Bericht enthält detaillierte Angaben über die Observation des Klägers im öffentlichen Raum und auf dem Grundstück seines Wohnhauses. Erwähnt sind „häufige Kontrollgänge“ von Detektiven.

➧ Dem Kläger platzt der Kragen

Am 23.3.2022 konfrontierte der Arbeitgeber den Kläger mit dem Vorwurf, dieser hätte seine Arbeitsunfähigkeit vorgetäuscht. Der Kläger wies dies zurück. Am 1.9.2022 erhob der Kläger Klage auf Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 25.000 €. Sein Argument: Die Überwachung stelle einen schwerwiegenden Eingriff in seine Privatsphäre dar. Die Detektive hätten ihn nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern auch im Eingangsbereich seines Hauses und auf seiner Terrasse beobachtet.

➧ Der Weg durch die Gerichtsinstanzen beginnt

Beim Arbeitsgericht als erster Instanz hatte der Kläger mit seiner Schmerzensgeldforderung keinen Erfolg. Anders dagegen beim Landesarbeitsgericht in zweiter Instanz. Dieses Gericht verurteilte den Arbeitgeber zur Zahlung einer „Entschädigung“ in Höhe von 1500 €. Dies war dem Kläger deutlich zu wenig. Sein Arbeitgeber hielt die Forderung dagegen nach wie vor für vollständig unberechtigt. Deshalb sorgten beide Beteiligte dafür, dass die Angelegenheit vor das Bundesarbeitsgericht (BAG) kam.

➧ Das BAG hält 1500 € Schadensersatz für ok

„Das Landesarbeitsgericht hat dem Kläger nach Auffassung des BAG zu Recht immateriellen Schadensersatz in Höhe von 1500 € zugesprochen.“ Der Kläger habe in dieser Höhe Anspruch auf Schadensersatz gemäß Art. 82 DSGVO, weil seine Observierung durch Detektive gegen die DSGVO verstoßen habe.

➧ Es geht um Gesundheitsdaten des Klägers

Die Observierung hatte das Ziel, den äußerlich sichtbaren Gesundheitszustand des Klägers zu dokumentieren. Der Arbeitgeber hat diese Observierung veranlasst. Damit war er der Verantwortliche für die Verarbeitung von Gesundheitsdaten (Art. 4 Nummer 15 DSGVO) des Klägers. Die Verantwortung des Arbeitgebers erstreckt sich auch darauf, dass eine Rechtsgrundlage für diese Verarbeitung vorhanden sein muss.

➧ Die Verarbeitung braucht eine Rechtsgrundlage

Die Verarbeitung von Gesundheitsdaten ist sowohl an Art. 6 DSGVO („Rechtmäßigkeit der Verarbeitung“) als auch an Art. 9 DSGVO („Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten“) zu messen. Beide Vorschriften müssen also nebeneinander erfüllt sein („kumulativer Prüfungsmaßstab“). Bei näherer Betrachtung lässt sich aus ihnen im vorliegenden Fall keine Befugnis zur Verarbeitung der Daten des Klägers ableiten.

➧ Es fehlt an der Erforderlichkeit der Verarbeitung

Der Arbeitgeber kann sich nicht darauf berufen, dass die Verarbeitung der Daten erforderlich gewesen sei, damit er seine „aus dem Arbeitsrecht … erwachsenden Rechte“ ausüben kann (siehe dazu Art. 9 Abs. 2 Buchstabe b DSGVO). Aus § 26 Abs. 3 Satz Ziffer 1 BDSG, der als nationales Recht die genannte Regelung der DSGVO präzisiert, ergibt sich nichts anderes. Auch nach dieser Vorschrift ist die Verarbeitung von Daten eines Arbeitnehmers nur rechtmäßig, wenn sie erforderlich ist. An einer solchen Erforderlichkeit der Verarbeitung fehlt es im vorliegenden Fall jedoch.

➧ Die Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit ist heikel

Die Überprüfung einer angeblichen Arbeitsunfähigkeit durch den Arbeitgeber und die daraus folgende Verarbeitung von Gesundheitsdaten ist von vornherein nur erforderlich, wenn der Beweiswert einer vorgelegten ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert ist. Damit das der Fall ist, müssen laut BAG „begründete Zweifel an der Richtigkeit der Bescheinigung bestehen. Andernfalls besteht kein aufklärungsbedürftiger Verdacht, der eine Datenerhebung durch Observation rechtfertigen könnte.“ Solche begründeten Zweifel hat der Arbeitgeber im vorliegenden Fall nicht darlegen können. Letztlich hatte er nur Vermutungen zu bieten.

➧ Dem Kläger ist ein Schaden entstanden

Der Schaden des Klägers liegt darin, dass er durch die Überwachung einen Kontrollverlust über seine Daten erlitten hat und sich nicht einmal im privaten Umfeld vor Beobachtung sicher sein konnte. Dies ist angesichts der Vorgehensweise der Detektive selbsterklärend und bedarf keiner näheren Darlegung, so das BAG.

➧ Als Ausgleich sind 1500 € angemessen

Das BAG teilt die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, dass 1500 € Schadensersatz im vorliegenden Fall angemessen sind. Dies ergibt sich aus einer Abwägung der Gesamtumstände des Falles. Folgende Umstände sind zulasten des Arbeitgebers in Rechnung zu stellen:

  • Der Kläger wurde in seiner privaten Umgebung beobachtet und fotografiert.
  • Dies geschah über einen beträchtlichen Zeitraum hinweg.
  • Ziel der Observation war die Erhebung von Gesundheitsdaten, also von besonders sensiblen Daten.

Zugunsten des Arbeitgebers ist lediglich zu berücksichtigen, dass er den Detektivbericht nicht an Dritte weitergegeben hat und dass der Kläger keine besonderen psychischen Belastungen geltend gemacht hat.

➧ Die Entscheidung hat weit reichende Wirkungen

Bisher war es für einen Arbeitgeber weitgehend risikolos, einen Detektiv auf einen angeblich nicht arbeitsfähigen Arbeitnehmer anzusetzen. Er riskierte allenfalls, dass die Ergebnisse der Observation vor Gericht nicht berücksichtigt wurden. Künftig riskiert er außerdem, Schadensersatz zahlen zu müssen. Ob Detektive noch bereit sein werden, solche Aufträge zu übernehmen, erscheint fraglich. Denn sie laufen Gefahr, auch persönlich mit Schadensersatzforderungen konfrontiert zu werden. Schließlich verarbeiten auch sie die Daten der Observation.

➧ Hier ist das Urteil zu finden

Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 25. Juli 2024 ist bei Eingabe des Aktenzeichens 8 AZR 225/83 im Internet leicht zu finden.

Dr. Eugen Ehmann

Verfasst von
Dr. Eugen Ehmann
Dr. Eugen Ehmann
Dr. Eugen Ehmann ist ausgewiesener Fachmann auf dem Gebiet des Datenschutzes in Unternehmen & Behörden. Er ist Herausgeber eines renommierten DSGVO-Kommentars und Autor zahlreicher Beiträge in der Datenschutz PRAXIS sowie in vielen weiteren Datenschutz-Veröffentlichungen. Außerdem moderiert er seit 2003 die IDACON , den renommierten Datenschutz-Kongress.

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