Unzulässige Negativmeldung an die SCHUFA

➧ Ein Mobilfunkvertrag erlaubt einen Tarifwechsel
Zwischen einer Kundin und einem Mobilfunkunternehmen bestand seit 25. September 2018 ein Mobilfunkvertrag. Gemäß diesem Vertrag hatte die Kundin das Recht, binnen 24 Monaten zu einem günstigeren Tarif zu wechseln. Voraussetzung dafür war, dass sie den Vertrag frühzeitig um 24 Monate verlängert.
➧ Ein Wechsel erfolgt und wird widerrufen
Von dieser Möglichkeit eines Tarifwechsels bei einer vorzeitigen Vertragsverlängerung machte die Kundin am 27. Dezember 2018 Gebrauch. In der Auftragsbestätigung des Mobilfunkunternehmens vom selben Tag hieß es: „Ihr bisheriger Tarif … entfällt zum 27.12.2018.“ Dann überlegte es sie sich doch anders. Mit Schreiben vom 6. Januar 2019 widerrief sie die vorzeitige Vertragsverlängerung.
➧ Rechnungen kommen und bleiben unbezahlt
Warum auch immer verarbeitete das Mobilfunkunternehmen diesen Widerruf nicht korrekt. Es stellte der Kundin mehrfach Beträge für die Vertragsverlängerung in Rechnung. Logischerweise zahlte die Kundin nicht, denn aus ihrer Sicht bestanden solche Forderungen überhaupt nicht. Schließlich hatte sie die Vertragsverlängerung widerrufen.
➧ Es folgt ein Negativeintrag bei der SCHUFA
Am 16. September 2019 veranlasste das Mobilfunkunternehmen einen Negativeintrag bei der SCHUFA. Dieser Negativeintrag blieb erhebliche Zeit bestehen. Erst am 27. September 2019 beauftragte das Mobilfunkunternehmen die SCHUFA, den Negativeintrag wieder zu löschen. Dies geschah in vollständiger Form frühestens im Juli 2021.
➧ Die Kundin verlangt Schadensersatz
Die Kundin ist der Auffassung, dass ihr „immaterieller Schadensersatz“, also im Volksmund Schmerzensgeld, in Höhe von 6000 € zusteht. Die Meldung an die SCHUFA sei völlig unbegründet gewesen. Deshalb liege ein Verstoß gegen die DSGVO vor. Aus folgenden Gründen sei auch ein immaterieller Schaden zu bejahen:
- Generell sei die Negativmeldung geeignet gewesen, ihre Kreditwürdigkeit erheblich herabzusetzen.
- Es sei zu befürchten, dass ihr künftig wegen der Negativmeldung im Internet ein Kauf auf Rechnung verwehrt werde.
- Ganz konkret habe ihre Hausbank wegen der Negativmeldung eine Kreditvergabe angehalten.
Aus all dem ergebe sich ein Anspruch auf immateriellen Schadensersatz gemäß Art. 82 DSGVO in Höhe von 6000 €.
➧ Die Gerichte sind sich uneins
Der Rechtsstreit begann beim zuständigen Landgericht. Dieses Gericht bejahte einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 6000 €. Es gab der Kundin also in vollem Umfang Recht.
Das Oberlandesgericht als nächste Instanz sah dies völlig anders. Es hielt einen Schadensersatz in Höhe von lediglich 500 € für angemessen. Das sei als immaterieller Schadensersatz ausreichend.
➧ Schließlich kommt die Sache zum BGH
Mit dieser Entscheidung war die Kundin keiner Weise einverstanden. Sie blieb vielmehr bei ihrer Auffassung, dass ihr 6000 € Schadensersatz zustünden. Deshalb legte sie Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) ein.
➧ Die Revision ist ein sehr spezielles Rechtsmittel
„Revision“ bedeutet, dass der BGH das Urteil der vorherigen Instanz (hier: das Urteil des Oberlandesgerichts) lediglich auf Rechtsfehler überprüft. Den Sachverhalt an sich legt der BGH bei seiner Entscheidung so zugrunde, wie ihn das Oberlandesgericht als vorangehende Instanz festgestellt hat.
Und selbst wenn der BGH einen Rechtsfehler erkennen sollte, hebt er das Urteil der vorangehenden Instanz allein deshalb nicht auf. Das tut er vielmehr nur dann, wenn sich dieser Rechtsfehler zum Nachteil dessen auswirkt, der die Revision eingelegt hat.
➧ Der Verstoß gegen die DSGVO ist offensichtlich
Damit, dass ein Verstoß gegen die DSGVO vorliegt, hält sich der BGH erst gar nicht weiter auf. Kein Wunder, denn das liegt aus rechtlicher Sicht auf der Hand. Solange eine Forderung noch streitig ist und solange kein Gericht abschließend entschieden hat, dass die Forderung besteht, darf keine Meldung an die SCHUFA erfolgen. Das sah der BGH genauso wie das Landgericht und das Oberlandesgericht.
➧ Der Verstoß hat zu einem Schaden geführt
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts hat die Kundin zumindest eine Rufschädigung erlitten, denn sie sei gegenüber der SCHUFA als zahlungsunfähige oder jedenfalls zahlungsunwillige Person stigmatisiert worden. Dass darin ein Schaden für sie liegt, sieht auch der BGH so. Seine knappe Begründung hierzu:
- 82 DSGVO gibt ausdrücklich auch einen Anspruch auf Schadensersatz für einen immateriellen Schaden, also für einen Schaden, der sich nicht direkt in Geld messen lässt.
- Dabei müsse der Begriff des Schadens weit ausgelegt werden, um den Zielen der DSGVO gerecht zu werden.
- Diese Sichtweise ergibt sich aus mehreren einschlägigen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH).
➧ Es geht nur um Schadensausgleich
Nicht konform geht der BGH mit der Auffassung des Oberlandesgerichts, welche Faktoren bei der Bemessung des Schmerzensgeldes eine Rolle spielen. Das Oberlandesgericht hat insoweit in seinem Urteil drei Faktoren angesprochen:
- Das Schmerzensgeld solle den eingetretenen Schaden ausgleichen, also eine Ausgleichsfunktion haben.
- Darüber hinaus solle das Schmerzensgeld der betroffenen Person eine Genugtuung verschaffen. Es habe also auch eine Genugtuungsfunktion.
- Und schließlich solle das Schmerzensgeld in einem gewissen Maß auch abschreckend auf den Schadensverursacher wirken, also eine generalpräventive Funktion haben.
Das sieht der BGH völlig anders. Relevant sei lediglich die Ausgleichsfunktion des Schmerzensgelds. Die beiden anderen vom Oberlandesgericht herangezogenen Funktionen, also die Genugtuungsfunktion und die generalpräventive Funktion seien im Rahmen der DSGVO dagegen irrelevant. Zur Begründung seiner Auffassung beruft sich der BGH auf die Rechtsprechung des EuGH. Der EuGH hat entschieden, dass ein DSGVO-Schmerzensgeld weder eine Abschreckungs- noch eine Straffunktion hat.
➧ Der Rechtsfehler wirkt sich nicht aus
Von der Begründung her ist die Entscheidung des Oberlandesgerichts damit falsch. Denn sie verstößt gegen die Rechtsprechung des EuGH. Das führt zu der Frage, ob der BGH das Urteil des Oberlandesgerichts aufheben muss oder nicht.
An dieser Stelle wird relevant, was bereits zu den Besonderheiten einer Revision gesagt wurde: Rechtsfehler führen nur dann zur Aufhebung eines Urteils, wenn sie sich zulasten dessen auswirken, der die Revision eingelegt hat. Und genau das ist hier nicht der Fall.
Richtigerweise hätte das Oberlandesgericht davon ausgehen müssen, dass ein DSGVO-Schmerzensgeld ausschließlich eine Ausgleichsfunktion hat, nicht jedoch eine Genugtuungsfunktion oder eine generalpräventive Funktion. Hätte es das getan, wäre das Schmerzensgeld mit Sicherheit nicht höher ausgefallen als die 500 €, die das Gericht unter Berücksichtigung aller drei Funktionen für angemessen gehalten hat.
➧ Es bleibt beim Urteil des Oberlandesgerichts
Damit hat der BGH als Revisionsinstanz keinen rechtlichen Grund, das Urteil des Oberlandesgerichts aufzuheben. Salopp formuliert: Zwar hat das Oberlandesgericht sein Urteil falsch begründet, dadurch ist der betroffenen Person jedoch kein Nachteil entstanden.
➧ Eine wesentliche Frage bleibt offen
Ob das Oberlandesgericht in gleich gelagerten Fällen auch künftig 500 € für angemessen halten würde, bleibt abzuwarten. Vieles spricht dafür, dass es unter Berücksichtigung der Argumente des BGH künftig zu geringeren Beträgen kommt. Dazu, was aus Sicht des BGH der angemessene Betrag wäre, lässt sich aus dem vorliegenden Fall überhaupt nichts ableiten. Zu dieser Frage hat er schlicht nichts gesagt, weil sie aufgrund der Besonderheiten eines Revisionsverfahrens rechtlich gesehen keine Rolle gespielt hat.
Quelle: Urteil des BGH vom 28. Januar 2025-VI ZR 183/22, abrufbar unter Urteil des VI. Zivilsenats vom 28.1.2025 – VI ZR 183/22 –